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Stucksanierung mit dem Hammer

Anwohner verhindern Zerstörung einer Gründerzeit-Fassade in Ottensen. Der Hausbesitzer hegt Abrißpläne, fürchten sie  ■ Von Gernot Knödler

Sie rückten an wie die Heinzelmännchen: Zack, zack war das Gerüst gebaut, und am nächsten Morgen, zu einer Zeit, zu der sich halb Ottensen normalerweise den Schlaf aus den Augen krümelt, fingen sie an, auf die gründerzeitliche Stuckfassade einzudreschen. „Die Handwerker hatten gar kein Werkzeug dabei“, wundert sich ein Anwohner, „nur den Hammer in der Hand.“

Wären die Leute rund um den Kemal-Altun-Platz in Ottensen nicht bereits durch das Gerüst mißtrauisch geworden, hätte die Kleinstadtvilla Große Brunnenstraße 63 heute kein Gesicht mehr und der Stadtteil ein Stück seiner Geschichte verloren – in diesem Fall eines der wenigen Häuschen aus der Zeit, als Ottensen noch mehr Dorf als Arbeiterstadtteil war. Von den Bauleuten hatten neugierige OttenserInnen erfahren, daß der Stuck weg sollte, und Alarm geschlagen. Ihre Befürchtung: Das Ende der historischen Fassade könnte der erste Schritt zum Abriß sein.

Die vom Stadtteilarchiv alarmierte Denkmalschützerin Agnes Seemann eilte besorgt herbei. Einschreiten konnte sie allerdings nicht. Denn die kleine Villa war zwar 1976 im Erhaltungskonzept für Ottensen als „möglicherweise erhaltenswert“ gekennzeichnet worden. Ob sie tatsächlich als Denkmal gelten kann, ist jedoch offen. „Der Bewertungsprozeß ist nicht abgeschlossen“, erklärt Seemann.

Trotzdem kamen die Arbeiter bloß dazu, ein Eckchen der Verzierung wegzuschlagen. Dann schritt die von aufgebrachten OttenserInnen alarmierte Polizei ein, und Tania Basrawi von der Bauprüfabteilung des Altonaer Bezirksamtes klebte einen roten Zettel an die Fassade: „Baueinstellung“. Die mißtrauischen AnwohnerInnen hatten zu Recht befürchtet, daß die „Fassadenveränderung“ nicht genehmigt war. Mit so einem Antrag würde der Eigentümer auch nicht durchkommen, glaubt Basrawi.

Dörte Jepsen, die um die Ecke wohnt, ärgert sich schon länger darüber, daß das Häuschen verkommt. Sie verweist auf die Nachbarvilla, Große Brunnenstraße 67a, deren frisch renovierte Fassade weiß in der Sommersonne leuchtet. „Die ist ein Schmuckstück dieser Straße“, sagt sie. Die 63 dagegen steht in Sack und Asche am Straßenrand – ein Zustand, der nicht dazu geeignet ist, das Mißtrauen im Viertel zu beschwichtigen. „Wir nehmen ganz stark an, daß der Eigentümer das Interesse hat, das Haus abzureißen“, sagt Jepsen. Mit einem anderen Gebäude an gleicher Stelle wäre sicher mehr Geld zu machen.

Der Verwalter des Häuschens von der Firma Plan und Projekt hat nach Angaben Basrawis eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben. Die taz hamburg bemühte sich gestern vergeblich um eine Stellungnahme von Plan und Projekt.

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