: Höchstleistung im Ölbad
■ 14 Gänge bedeutet Weltrekord im Nabenschaltungsbau. Die Speedhub glänzt durch immense Übersetzungsbreite und gilt als nahezu wartungsfrei. Sie ist aber so teuer wie zehn Fahrräder vom Flohmarkt und muß sich im Fachhandel noch durchsetzen
Wochend' und Sonnenschein – da werden so manche Radler keck. Plötzlich wollen sie da fahren, wo es einsam ist. Also runter vom geteerten Weg und rauf auf die abseitige Piste. Da kann es schon mal passieren, daß man auf der Strecke bleibt: Die Kette verdreckt, Laub mogelt sich zwischen die Ritzel, die Schaltung funktioniert nicht mehr richtig, oder die Kette springt ab. Gut, mit einer Nabenschaltung passiert so etwas nicht, doch für viele sportliche Radler haben die zuwenig Gänge und eine zu geringe Übersetzungbreite. Den Fortschritt will jetzt die kleine Kasseler Firma Rohloff bringen. 14 Gänge hat sie in eine Nabe gepackt – das gab's bisher noch nie. Rohloff spricht zudem von einem Schaltsystem, das in puncto Leichtlauf, Schaltkomfort, Wartungsarmut und Lebensdauer seinesgleichen suche.
Firmenchef und Entwickler Bernhard Rohloff, selbst passionierter Mountainbiker, hatte die Idee: eine Nabenschaltung zu kreieren, die auch für anspruchsvolle und sportliche Radler Sinn macht. Die marktgängigen Drei- und Siebengangnaben werden eher von Pedaleuren benutzt, die seltener unterwegs sind und denen Tempo nicht viel bedeutet. Also setzte sich der Maschinenbauingenieur das Ziel, der zur Zeit leistungsfähigsten 27-Gang-Kettenschaltung Konkurrenz zu machen. Fünf Jahre hat er getüftelt und getestet, jetzt liegt die Speedhub 500/14 auf dem Ladentisch der Fahrradhändler. Und Rohloff ist stolz: „Mit der Speedhub ist es uns erstmals gelungen, die Vorteile der Kettenschaltung wie große Gesamtübersetzung, geringes Gewicht und hoher Wirkungsgrad mit den Vorteilen der Nabenschaltung – wenig Wartung, geringer Verschleiß, einfache Bedienbarkeit – zu kombinieren. Daher hat die Hochleistungsnabe ein sehr breites Einsatzgebiet.“
Das Herzstück der neuen Hinterradnabe besteht aus 125 Einzelteilen, die in einem gekapselten Ölbad liegen. Auf kleinstem Raum sind drei sogenannte Planetengetriebe hintereinander angeordnet. Die Wälzlagerung der Planetenräder in Verbindung mit Zahnrädern, die eine große Zähnezahl besitzen, sowie die permanente Ölschmierung sollen dafür sorgen, daß kaum Kraft durch Reibung verloren geht. Laut Rohloff arbeitet die Speedhub mit einem Wirkungsgrad von 96 bis 98 Prozent. Bei Kettenschaltungen wird normalerweise ein Wirkungsgrad von 92 bis 98 Prozent veranschlagt. Noch mehr Tretleistung wird geschluckt, wenn Kette und Ritzel sehr verdreckt oder stark abgenutzt sind.
Speedhubs Gesamtübersetzung wird mit 526 Prozent angegeben – damit wäre sie in der Tat mit 27-Gang-Kettenschaltungen zu vergleichen. Die Abstufung zwischen den Gängen liegt konstant bei 13,6 Prozent. Mit dem (einzigen) Drehgriff lassen sich aber auch einzelne Gänge problemlos überspringen. Das könnte im Gelände hilfreich sein und auch dem abrupten Tempowechsel dienen. Natürlich läßt sich die Speedhub auch im Stand schalten. Und daß die Wartung einfacher ist als bei einer Kettenschaltung, dürfte selbstverständlich sein. Laut Rohloff ist pro Jahr lediglich ein- oder zweimal ein Ölwechsel fällig. Auch die Rasterung der Gänge müsse nicht nachgestellt werden, da diese geschützt in der Nabe liegt und nicht im Drehgriff wie bei allen anderen Schaltungen.
Hätte die Speedhub nicht auch ein paar Nachteile, könnte das Kettenschaltungssystem bald Geschichte sein, so das Urteil vieler Experten. Doch noch ist sie zum Beispiel mit einigen Brems- und Federungssystemen nicht kompatibel. Ihr Gewicht von 1,7 Kilo dürfte hingegen kein wirklicher Minuspunkt sein. Sie bringt zwar ungefähr 300 Gramm mehr als eine vergleichbare Kettenschaltung auf die Waage, doch damit ist sie deutlich leichter als die bisher leistungsstärksten Nabenschaltungen. Schwerer wiegt wohl der Preis von rund 1.500 DM.
Auch für Wolfram Hartmann, den Produktmanager des VSF (Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe), ist das ein Nachteil: „Wenn man bedenkt, daß ein Fahrradfachhändler im Durchschnitt pro verkauftes Rad etwa 750 Mark kassiert, kann man nicht annehmen, daß die Speedhub ein Massenprodukt wird. Auch wenn sich der Preis im Vergleich zu einer Kettenschaltung, bei der häufig Kette und Ritzel ausgetauscht werden müssen, in einem Fahrradleben vielleicht mal amortisiert.“
Trotzdem sieht Hartmann die neue Nabe als sinnvolle Entwicklung an. Sicher, sie sei erst mal fürs Mountainbike entwickelt worden, aber auch für Alltagsradler durchaus geeignet. Besonders für solche, die den Fahrkomfort schätzen und auch mal abseits von Straßen und Wegen gut vorankommen möchten, ohne ständig Dreck und anderen Unrat im Ritzel zu haben.
Seit kurzem kann die Speedhub in verschiedenen Versionen als Nachrüstbausatz erworben werden. An neuen Rädern ist sie bisher kaum zu finden. Der derzeit einzige Anbieter ist die Utopia Fahrradmanufaktur. Bei ihr kann jedes zur Auswahl stehende Modell auf Wunsch mit der Speedhub ausgestattet werden. Bisher hat sie zirka 500 Räder mit der neuen Nabe verkauft. Da kann man noch nicht vom großen Durchbruch reden, den die Schaltung technisch sicher darstellt. floh
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