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„Es gibt keine Strategien“

■  Und wenn die Buchpreisbindung fällt, dann bauen wir sie wieder auf: Interview mit Harald Heker, dem Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, über die juristischen Möglichkeiten, den gebundenen Buchpreis zu erhalten oder die Aufhebung aufzuschieben

Seit 1993 arbeitet der europäische Wettbewerbskommissar Karel van Miert beharrlich daran, die grenzüberschreitende Buchpreisbindung zwischen Deutschland und Österreich abschaffen. Doch die EU-Kommission will anscheinend auch ein Verbot der nationalen Buchpreisbindung in Deutschland durchsetzen. Van Miert bestreitet das, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels behauptet das Gegenteil. Die taz sprach mit dem Justitiar und stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Dr. Harald Heker.

taz: Herr Heker, worauf gründen sich Ihre Befürchtungen, daß nun auch eineAufhebung der nationalen Buchpreisbindung bevorsteht?

Harald Heker: Dem Börsenverein liegt der Text der geplanten Untersagungsverfügung vor. Aus dem Wortlaut ergibt sich eindeutig, daß van Miert mit seiner Untersagung sämtliche Preisbindungsverträge untersagen will: Damit ist also auch die nationale Preisbindung im höchsten Maße gefährdet. Mittlerweile liegt uns auch ein Schreiben des Generaldirektors Dr. Alexander Schaub von der Wettbewerbsdirektion der EU-Kommission vor. Darin bestätigt er gegenüber der deutschen Bundesregierung genau das: Nach Ansicht der Kommission sei die grenzüberschreitende Preisbindung mit den nationalen Aspekten „untrennbar verbunden“.

Michael Naumann hat den Vorschlag gemacht, die Preisbindung in Deutschland per Gesetz zu regeln – und nicht wie bisher als Absprache zwischen den Buchhändlern und Verlagen.

Über den Vorschlag muß man nachdenken – wenn Herr van Miert sich tatsächlich mit seinem Verbot durchsetzt. Die Kommission ja hat immer wieder darauf hingewiesen, daß sie ein nationales Preisbindungsgesetz, wie es zum Beispiel Frankreich seit Mitte der 80er Jahre hat, nicht angreifen würde. Allerdings hat sie das natürlich auch zunächst von unserem System behauptet. Insofern weiß ich nicht, ob wir mit einem nationalen Gesetz hundertprozentig sicher vor der Kommission wären.

Wann erwarten Sie einen Beschluß der Kommission?

Wir haben gerade erfahren, daß die Kommission nicht auf ihrer Sitzung in der nächsten Woche darüber entscheiden wird. Die Kommission geht allerdings bereits Ende Juli in die Sommerpause – und bis dahin soll die Entscheidung ja bekanntlich gefallen sein.

Allgemein wird erwartet, daß die Entscheidung negativ ausfällt – was wird dann der nächste Schritt des Börsenvereins sein?

Wir werden vor dem Europäischen Gerichtshof eine einstweilige Anordnung beantragen – damit wir dann in Ruhe beim Europäischen Gerichtshof klären lassen können, ob die Kommission mit ihrer Entscheidung tatsächlich recht gehabt hat.

Das ergibt einen Aufschub von vielleicht zwei bis drei Jahren. Doch was passiert, wenn der Antrag abgelehnt wird?

Wir würden dann sofort mit der Bundesregierung überlegen, wie man eine rechtliche Situation schaffen kann, die uns die Preisbindung weiter praktizieren läßt. Da gibt es mehrere rechtliche Möglichkeiten. Ich halte es für ausgeschlossen, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt binnen weniger Wochen die Preisbindung in Deutschland zusammenbricht.

Werden denn bei Ihnen Strategien diskutiert, wie man auf einen veränderten Markt reagieren könnte?

Es gibt da keine Strategien. Es wird immer wieder behauptet, man müsse Vorschläge in der Schublade haben, die man dann herausziehen und den Mitgliedern präsentieren kann. Ich halte das für nicht seriös. Kein Unternehmen, das vor der Situation steht, ohne Preisbindung am Markt agieren zu müssen, kann darauf warten, von seiner Standesorganisation irgendwelche Musteranweisungen zu bekommen.

Wie stehen die Buchhandelsketten, die ja auch vom Börsenverein vertreten werden, zum Fall der Buchpreisbindung – sie würden davon doch wohl profitieren?

Bei den großen Buchhandelsketten, die wir kennen, ist niemand dafür, daß die Buchpreisbindung fällt. Die Buchpreisbindung nützt allen. Natürlich: ganz besonders den kleinen und mittleren Verlagen und Buchhandlungen. Unternehmen mit entsprechenden Strukturen und entsprechendem Management hätten es wahrscheinlich leichter, eine Marktveränderung zu überstehen und Initiativen zu ergreifen.

Sieht überhaupt jemand im Börsenverein im Fall der Preisbindung einen Vorteil?

Mir ist niemand bekannt. Es gibt höchstens Firmen, die sagen: „Es würde mein Unternehmen nicht gefährden, wenn die Buchpreisbindung fällt“ – aber das steht auf einem ganz anderen Blatt. Außerdem gibt es ja auch jetzt schon die Möglichkeit, seine Preise nicht zu binden, und einige Verlage tun das ja auch nicht.

Was hat den Börsenverein der Kampf für die Erhaltung der Preisbindung bisher gekostet?

Der Börsenverein hat sich von einer Unternehmungsberatung ein Gutachten erstellen lassen, hat Rechtshilfe in Anspruch genommen und vieles mehr – das Ganze hat uns bisher über eine Million Mark gekostet.

Interview: Kolja Mensing

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