: Ein Alptraum ohne erleichtertes Erwachen
■ Beispiel Indonesien – das Land hat 145 Milliarden Dollar Schulden im Ausland und keine Chance, sie zurückzuzahlen
Jakarta (taz) – Wenn Arif Arryman an die Zukunft denkt, wird ihm ganz schlecht: „Wir versinken in einem riesigen Schuldenmeer“, warnt der Direktor des Wirtschaftsinstitutes Econit in der indonesischen Hauptstadt Jakarta.
Deshalb kann sich der Ökonom auch nicht über eine Nachricht aus Washington freuen, die am Tag der Parlamentswahlen in Indonesien über die Bildschirme tickerte: Der Internationale Währungsfonds (IWF) gab neue Kredite im Wert von 450 Millionen US-Dollar für Jakarta frei – sozusagen als Belohnung dafür, daß die Indonesier es geschafft haben, eine friedliche und freie Abstimmung zu organisieren und den Investoren die Angst vor neuen Unruhen zu nehmen.
Doch wie Arryman schlagen inzwischen immer mehr Indonesier Alarm über die üppig fließenden ausländischen Kredite. Denn
die Folgen sind dramatisch: Das von der schwersten Wirtschaftskrise seit den sechziger Jahren erschütterte Land steht mittlerweile mit 145 Milliarden US-Dollar im Ausland in der Kreide.
Davon sind 60 Milliarden Dollar öffentliche Schulden, die aus der Staatskasse zurückgezahlt oder – wahrscheinlicher – vorerst mit immer neuen und teureren Krediten überbrückt werden müssen. „Seit Beginn der Krise 1997“, sagt Arryman, „ist das Durchschnittseinkommen der Indonesier von 1.200 auf 400 Dollar im Jahr gesunken. Wie sollen wir diese Schulden zurückzahlen? Völlig unmöglich!“
Um – wie vom IWF gefordert – die maroden indonesischen Banken zu sanieren, müsse die Regierung mindestens 87 Milliarden US-Dollar auftreiben, errechnete die einflußreiche amerikanische Gutachterfirma Standard & Poor's kürzlich. Das sind achtzig Prozent des in einem Jahr in Indonesien geschaffenen Wirtschaftsproduktes. Im Vergleich: Die Bankensanierung wird Thailand etwa ein Drittel seines Wirtschaftsproduktes kosten.
Von einer der „teuersten Bankenkrisen der Welt in den vergangenen 30 Jahren“ spricht daher das Asian Wall Street Journal.
Unbeirrt von dieser Sorge beschlossen die Manager des IWF Ende Mai, weitere 19,4 Milliarden US-Dollar in den indonesischen Finanzsektor zu pumpen – zusätzlich zu dem bereits zu Beginn der Wirtschaftskrise gewährten Kreditpaket von 43 Milliarden Dollar.
Was die Kritiker so verbittert: Mit diesem Geld stützen die Sanierer auch Finanzinstitute, deren Kunden ihre Schulden einfach nicht bezahlen – selbst wenn sie es könnten. Viele von ihnen weigerten sich schlicht, ihre Bücher zu öffnen. Bislang konnten sie vielfach mit Milde der Behörden rechnen, denn dort sitzen noch Beamte, die ihren Aufstieg dem korrupten Suharto-System verdanken.
In der vergangenen Woche veröffentlichten die Behörden erstmals eine Liste der 200 meistverschuldeten Firmen. Ein großer Teil gehört der Familie oder Geschäftsfreunden der Suhartos. Mehr als drei Viertel der Bankkredite, schätzt Standard & Poor's, werden bis zum Jahresende nicht zurückgezahlt werden.
Noch ist unklar, ob die Opposition genug Sitze im Parlament erzielt, um die Regierung zu bilden und die „Kräfte des Status quo“ von der Macht zu verdrängen, wie die mit Suharto verbundenen Politiker und Geschäftsleute in Indonesien allgemein genannt werden. Niemand kann auch vorhersagen, ob sie dann die faulen Kredite leichter eintreiben und die Geldhäuser erfolgreicher sanieren kann.
Inzwischen dreht sich die Schuldenspirale weiter. Gleichzeitig fordern in Jakarta immer mehr Ökonomen einen internationalen Schuldennachlaß für Indonesien nach dem Vorbild von Mexiko. Die ausländischen Gläubiger seien schließlich mitverantwortlich an der Misere, da sie das korrupte Suharto-System sehenden Auges unterstützt haben, sagen sie. Arryman: „Wir brauchen ein Moratorium. Sonst rappeln wir uns nie wieder auf.“ Jutta Lietsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen