„Das hat Frau Merkel auch immer gesagt“

■  Reinhard Loske, umweltpolitischer Sprecher der Grünenfraktion, findet, daß die rot-grüne Regierung in der Klimaschutzpolitik irrt

Das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI und der Bund der Deutschen Industrie (BDI) haben die Ergebnisse der Selbstverpflichtung der deutschen Unternehmen, den Kohlendioxidausstoß zu verringern, untersucht. Eine Zwischenbilanz zeigt: Obwohl energieeffektiver produziert wird, wird absolut mehr Kohlendioxid freigesetzt. Zur Klimapolitik der rot-grünen Regierung Reinhard Loske, umweltpolitscher Sprecher der Grünen im Bundestag.

taz: Wie ernst nimmt Rot-Grün den Klimaschutz?

Reinhard Loske: Sehr ernst. Wir haben vereinbart, das Ziel der alten Regierung – 25 Prozent Reduzierung der Kohlendioxidemissionen bis 2005 gegenüber 1990 – zu erreichen. Geschafft sind etwa 14 Prozent, vor allem durch den Strukturwandel in den neuen Ländern. Die verbliebenen 11 Prozent werden uns nicht in den Schoß fallen. Das erfordert Maßnahmen.

Wie sollen die aussehen? Die Regierung hat ja angekündigt, daß sie wegen des angeblich so großen Erfolgs der Selbstverpflichtung auf zusätzliche Vorschriften verzichten will.

Das wird sie kaum tun können, wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen: Es gibt ja auch neue Vorschriften wie etwa die Energiesparverordnung oder die Reform des Energiewirtschaftsrechts. Da liegt bei der Regierung ein Irrtum vor.

Laut Gutachten steigt der absolute Kohlendioxidausstoß durch die Industrie. Der grüne Umweltminister Trittin stellt aber fest, daß die Klimavorsorge der Wirtschaft weiter erfolgreich ist. Wie paßt das zusammen?

Das hat mich auch gewundert. Das hat Frau Merkel ja auch immer gesagt.

Der früheren Umweltministerin Merkel wurde vorgeworfen, daß sie im Kabinett zu wenig durchsetzen kann. Ist das bei Trittin auch der Fall?

Nein. Der Unterschied ist, daß jetzt etwas geschieht. Die alte Bundesregierung hat 1995 wegen der Selbstverpflichtung auf die Ökosteuer verzichtet. Die rot-grüne Regierung hat mit dem Einstieg in die ökologische Steuereform Ernst gemacht.

Müßte sich Trittin nicht viel deutlicher äußern?

Man muß die weitere Reduzierung der Emissionen klarer als bisher als Gestaltungsaufgabe markieren, sonst wird nichts geschehen. Es sind aber alle Ressorts dafür verantwortlich. Das eigentliche Klimaschutzressort ist das Ministerium für Wohnungsbau und für Verkehr, das für meisten Emissionen politisch verantwortlich ist. Beim Strukturwandel in der Stromwirtschaft ist es das Wirtschaftsministerium, bei der Ökologisierung des Steuersystems ist das Finanzministerium gefragt. Es muß noch klarer werden, daß Klimaschutz die Aufgabe der gesamten Regierung ist .

Bei der freiwilligen Selbstverpflichtung bleiben zwei Fragen offen: Hat man sich nur zu dem verpflichtet, was man ohnehin zu tun gedenkt? Und: Läßt man sich durch die wünschenswerte Selbstverpflichtung das Heft des politischen Handelns aus der Hand nehmen und verzichtet auf die ökologische Steuerreform? Ich hielte das nicht für vernünftig. Das RWI ist in seiner Würdigung keineswegs so positiv wie die Bundesregierung, sondern mahnt kritische Punkte an.

Das RWI sagt, daß der Kohlendioxid-Mehrausstoß wegen des Wirtschaftsaufschwungs nicht der Klimabilanz angerechnet werden kann. Sind die Grünen jetzt auch dafür: Wirtschaftswachstum geht vor Klimaschutz?

Das Gutachten ist im Auftrag von BDI und Bundesregierung durchgeführt worden und auch gut gemacht. Für die Kohlendioxid-Bilanz ist aber entscheidend, was hinten rauskommt: Dem Klima ist es egal, ob es effizient oder ineffizent erwärmt wird. Insofern kommt es auf die absoluten Mengen des Kohlendioxidausstoßes an. Das Ziel 25 Prozent minus bis 2005 erreichen wir nur, wenn wir die absoluten Mengen drosseln.

Mutiert die Ökosteuer zu einem Finanzierungsmodell für den Haushalt?

Unser Problem ist, daß Teilen der SPD die Bereitschaft fehlt, das Rentensystem durch eine demographische Komponente so zu reformieren, daß es tragfähig ist. Es besteht die Gefahr, daß die Ökosteuer dazu herangezogen wird, die notwendige Reform der Rentenversicherung zu unterlassen. Interview: Bernhard Pötter