piwik no script img

■ Zwei kosovo-albanische Premiers in Pristina und doch kein Treffen

Zum ersten Mal seit acht Jahren betrat der Premierminister im Exil, Bujar Bukoshi, wieder den Boden Kosovos. Als er vorgestern Teile seiner Regierung in Pritina traf, hatte Kosovo plötzlich zwei politische Strukturen mit einem Führungsanspruch. Bukoshi, der seine Regierung für „legal“ erklärt, weil sie die einzige Regierung Kosovos sei, die vom Volk gewählt ist, will sich um den Wiederaufbau der Provinz kümmern. Er sei froh darüber, daß nun mit dem demokratischen Aufbau begonnen werden könne, erklärte er gegenüber der taz. Als Chef eines Flügels der UÇK, die ihre Bastion in der nordalbanischen Region Bajram Curi hat, wollte er gestern im KFOR-Pressezentrum in Pritina einen Termin für eine Pressekonferenz festlegen lassen.

Bukoshi wußte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß der andere Premierminister Kosovos, Hashim Thaci, der einer Anfang April in Tirana ausgerufenen Regierung vorsteht, die den größeren Flügel der UÇK repräsentiert, in diesem Augenblick eine Pressekonferenz abhielt. Thaci erläuterte das Rahmenabkommen mit der Nato über die Demilitarisierung der UÇK. Die UÇK werde eine ähnliche Stellung wie die Nationalgarde der USA einnehmen, erklärte Thaci. In Wirklichkeit wird die UÇK in die zu schaffenden Polizeikräfte und die Verwaltung integriert. Der Status einer Armee hängt von der Entwicklung des politischen Status Kosovos ab, der ja noch nicht festgelegt ist.

Während Thaci sprach, hielt sich Bukoshi im Vorraum auf, ohne Kenntnis über die Pressekonferenz seines Kontrahenten. Die Haltung der KFOR-Pressesprecher jedoch drückte die Position der Nato zu den beiden Premiers aus. Bukoshi erhielt keinen Termin für eine Pressekonferenz mit der Begründung, in diesem Raum würden nur militärische Aspekte behandelt. Die Nato hat offenbar entschieden, den selbsternannten Premierminister der UÇK, Hashim Thaci, als den Mann mit dem größeren Gewicht zu betrachten. Dies ist um so erstaunlicher, als die demokratische Legitimität tiefer bewertet wird als die militärische Machtposition. Der Handschlag zwischen den Kontrahenten blieb aus. Hashim Thaci wußte nichts von Bukoshis Anwesenheit. Der Besuch des gewählten Präsidenten Ibrahim Rugova in Pritina ist angekündigt. Es ist Zeit, daß die Kosovo-Albaner bis zu demokratischen Wahlen eine Führungsstruktur entwikkeln. Nach außen sind beide Seiten bereit dazu. Erich Rathfelder, Pritina

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen