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Unter Zeitdruck

■  Immer noch keine Einigung um die Industriestiftung zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Neuer Vorschlag des New Yorker Anwaltsbüros Milberg, Weiss

Berlin (taz) - Weiterhin besteht dringender Bedarf an den „guten Diensten“ des Kanzleramtsministers Bodo Hombach und des USA-Unterstaatssekretärs Stewart Eizenstat in Sachen Entschädigung für die NS-Zwangsarbeiter. Gestern verhandelte der Arbeitsausschuß in Bonn unter der Leitung der beiden Politiker, um noch bestehende Meinungsverschiedenheiten auszuräumen.

Den Vertretern der deutschen Firmen, die am Projekt des Industriefonds beteiligt sind, kommt es nach wie vor auf den Schutz vor drohender doppelter Zahlung, einmal an den Fond, zum zweiten Mal an individuelle Kläger, an. Seitens der Opfer sind widerstreitende Interessen im Spiel. Die osteuropäischen Zwangsarbeiter lehnen die jeweiligen, sehr unterschiedlichen Renten als Bemessungsgrundlage ab, die jüdischen Opfer wollen zwischen den KZ-Sklaven und den übrigen Zwangsarbeitern differenzieren.

Gestern war über den definitiven Verhandlungsstand nichts zu erfahren. Dafür sorgte der Auftritt des New Yorker Anwaltsbüros Milberg, Weiss et al. in Bonn für Bewegung in der Sache.

Milberg und Weiss ist die bedeutendste der drei Großkanzleien, die die Interessen amerikanischer ehemaliger Zwangsarbeiter vertreten. Sie hat sich auf Sammelklagen spezialisiert und auch als erste eine „class action“ gegen deutsche Firmen eingeleitet. Gestern nun erklärte Melvin Weiss, daß die von ihm vertretenden Kläger sich mit der Industriestiftung einverstanden erklärten, wenn Klarheit über die zur Verfügung stehenden Summen geschaffen, die zweite (Bundes-) Stiftung zeitgleich errichtet, zwischen den KZ-Sklaven und den übrigen Zwangsarbeitern unterschieden und der Zukunftsfonds sich hauptsächlich mit der Erforschung der Zwangsarbeit und ihrer Folgen beschäftigen würde. Die für die deutschen Firmen so wichtige „Rechtssicherheit“ sah Weiß dann gewährleistet, wenn ein amerikanisches Gericht einen Vergleich sanktionieren würde, dessen Inhalt eben die Leistungen der beiden Stiftungen sind. Voraussetzung sei eine regelmäßige Überprüfung der Stiftungstätigkeit durch das Gericht.

Milberg und Weiß legten Wert darauf, daß die Gebühren für ihre Anwaltsarbeit durch Gerichtsbeschluß festgelegt würden und nach eigenem Wunsch nur einen Bruchteil der üblichen Honorare ausmachten. Zwar verträten sie nur einen Teil der Kläger, seien aber vorgeprescht, weil sie im Interesse der Opfer einen raschen, positiven Abschluß der Verhandlungen wünschten.

Ein Teil der Bedingungen von Weiss sei, so war von deutscher Seite zu hören, bereits zugestanden. Skepsis hingegen bestehe gegenüber dem vorgeschlagenen Lösungsweg des gerichtlichen Vergleichs. Die Verhandlungspartner stehen jetzt unter selbstgewähltem Zeitdruck. Ab September soll die Industriestiftung die Arbeit aufnehmen. Christian Semler

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