Nächste Wahlen gehen verloren ...

■ ... aber die Trendwende ist mit dem Sparpaket erreicht. Interview mit Oswald Metzger, dem Haushaltssprecher der Grünen

taz: Was habe ich als Bürger eigentlich davon, wenn die Staatsausgaben des Jahres 2000 um 30 Milliarden Mark sinken?

Oswald Metzger:Daß es keine Mehrwertsteuererhöhung geben wird. Die hätte mit Sicherheit zum Jahreswechsel um vier Punkte angehoben werden müssen. Außerdem ist Verschuldung Raubbau an der Gesellschaft. Fast jede vierte Mark, die durch Steuern hereinkommt, gibt der Staat für Zinsen aus. Das stranguliert auf Dauer unsere Möglichkeiten, Politik zu gestalten. Die Grünen stehen dafür, den Begriff der Nachhaltigkeit aus der Ökologie auf die Finanzen und die Reform des Sozialstaats auszuweiten.

Nachhaltige Reformen sind bei dem, was die grünen Fraktionschefs Schlauch und Müller eine „Kürzungsorgie“ genannt haben, nicht zu erkennen.

Bei der Rente auf jeden Fall. Die Begrenzung der Renten auf den Inflationsausgleich ist ein Einstieg in eine wirkliche Rentenstrukturreform. Der Rentenanstieg wird abgeflacht, und wir fördern außerdem die Eigenbeteiligung durch eine Komponente der Kapitaldeckung. Wir sind also beim Thema Sparen und Gestalten einen großen Schritt nach vorn gekommen.

Das ist ein Plan von SPD-Minister Riester. Wo sind die Grünen Motor einer Entwicklung, bei der aus dem bloßen Kürzen spürbare Veränderungen zugunsten der Menschen erwachsen?

Den Rentenvorschlag hatten wir in den Koalitionsvertrag eingebracht ...

... und Riester hat das Thema aufs Haben-Konto der SPD verbucht. War es ein Fehler, im Zukunftsressort Bildung auf die versprochene Verdoppelung der Mittel zu verzichten?

Wir geben wie 1999 eine Milliarde Mark zusätzlich in dieses Ressort.

Und fahren gleichzeitig den Rasenmäher darüber, der 1,2 Milliarden Mark kürzt.

Geld ist nicht alles im Bildungswesen. Es ist Zeit für strukturelle Reformen – etwa in der Ausbildungsförderung.

Die Bafög-Reform, die eine Studienförderung für alle bringen sollte, scheitert in diesen Tagen an den Vorgaben des Verfassungsgerichts.

Das ist die zweite Chance für das Modell des grünen Bildungsfachmanns Berninger. Dabei beteiligen sich Hochschulabsolventen nach ihrem Studium an der Ausbildungsförderung ihrer studierenden Kommilitonen.

Setzen die Grünen grundsätzlich auf mehr Eigenbeteiligung?

Ja. Nehmen Sie das Beispiel Arbeitslosigkeit. Auch da fehlen uns Anreize zur Eigeninitiative. Wir müssen die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe verzahnen und dafür sorgen, daß die Menschen die Stütze nicht allein verkonsumieren, sondern als Aktivierung begreifen. Das steht noch aus.

Allzu lange dürfen Sie sich dafür nicht Zeit lassen. Die Koalition steht schlecht da.

Wir haben eine Durststrecke vor uns. Die Wahlen der nächsten Monate werden wohl verlorengehen. Ich glaube dennoch, daß wir mit dem Sparpaket die Trendwende hinkriegen. Im September, so meine persönliche Prognose, wird die Konjunktur anziehen. Die Signalwirkung des Gesamtpakets – also auch die steuerlichen Maßnahmen – werden die Investitionszurückhaltung in der Wirtschaft beenden.

Wird die grüne Fraktion bei den Etatberatungen des Parlaments versuchen, etwas am Sparpaket zu ändern?

Ja. Das Volumen des Haushalts steht zwar, aber bei den Details wird man sich Mehrheiten suchen müssen. Es wird zum Beispiel einen harten Kampf um den Etat von Verteidigungsminister Scharping geben. Und im Bereich Verkehr werden wir versuchen, die Kürzungen nicht allein zu Lasten der Bahn gehen zu lassen. In diesen Ressorts wird die Musik spielen.

Die Konsolidierungslinie des Finanzministers werden wir trotzdem weiterverfolgen.

Interview: Christian Füller