: Ausgerüstet wie Robocops
■ betr.: „Holzknüppel aus dem Verkehr gezogen“, taz vom 9. 6. 99
Na endlich! Das wurde ja auch Zeit, denkt der/die demonstrationserfahrene LeserIn, hat es die Berliner Polizei nun auch begriffen und den Holzknüppel nun abgeschafft. Da Polizeibewaffnung immer auch ein Indikator dafür ist, wie es um Demokratie bestellt ist, könnte der Artikel Hoffnung wecken. Denn nur die Polizei-Spezialeinheiten seien mit dem Mehrzweckschlagstock Tonfa ausgerüstet.
Irrtum mit durchschlagendem Hintergrund. Der MES/Tonfa wird bereits in den Bereitschaftspolizeien und Einsatzhundertschaften einiger Länder sowie von einzelnen Streifenpolizisten eingesetzt. Der Tonfa, dem bei seiner Einführung das Prädikat „der knackt jeden Schädel“ ausgestellt wurde, hat genau dies zuletzt vor eineinhalb Wochen in Köln bei der Euromarsch-Demo anläßlich des Gipfels unter Beweis gestellt. Was in jeder Polizeianweisung zum Umgang mit dem MES steht, auf keinen Fall zum Kopf zu schlagen, wurde dort mehrfach getan.
Der Tonfa ist sowohl eine Stoß- als auch eine Dreh-/Wirbelwaffe. Er ist hervorragend geeignet, fast unsichtbar vor dem Auge der Presse, bei kurzen Stößen in Magen und Nieren in der Nahdistanz als auch gewirbelt gegen Arme, Beine Oberkörper und Kopf eingesetzt zu werden. War das Auf und Nieder der alten Knüppel über Kopfhöhe schon von weitem zu erkennen, wird ein Einsatz des Tonfa erst bei freier Sicht auf Körperhöhe erkennbar. Für pressescheue Einsätze der Polizei ein überragender Vorteil. Daß auch „normale“ Polizeieinheiten mittlerweile wie Robocops ausgerüstet werden können, gehört für viele Demos in der Bundesrepublik zum Alltag.
Es braucht Erlebnisse wie folgendes, um das wieder zu registrieren: DemobeobachterInnen des Komitees für Grundrechte und Demokratie wurden in Köln angesichts des Auftretens und der Ausrüstung der dort angetreten Polizei von ausländischen DemonstrantInnen gefragt, ob das deutsche Militär oft bei Demonstrationen im Inland im Einsatz wäre. Für den G 7 + 1-Gipfel nächste Woche dürfte nichts anderes zu erwarten sein. Christoph Ellinghaus, Erfurt
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