piwik no script img

Deutsche treten auf die Ökobremse

■ Mehrheit für EU-Altautorichtlinie steht auf dem Spiel

Berlin (taz ) – Verkehrte Welt: Europas Umweltminister einigen sich auf eine ökologisch begrüßenswerte Richtlinie zur Entsorgung von Altautos, die 100.000 Arbeitsplätze in der Recyclingwirtschaft schaffen könnte – und die Deutschen treten auf die Bremse. Morgen soll in Luxemburg im Umweltrat abgestimmt werden. Bis gestern Mittag schien die nötige qualifizierte Mehrheit kein Problem. Nach dem Patt im Bundeskabinett wird sich ausgerechnet Ratspräsident Jürgen Trittin der Stimme enthalten müssen.

In Brüssel brodelt die Gerüchteküche. Schon vor der Kabinettssitzung soll Schröder mit Blair telefoniert haben. Mit Blick auf die fallenden DaimlerChrysler-Aktien sollen sie sich rasch einig geworden sein: Keine Zustimmung. Fällt jetzt noch die französische Umweltministerin um, fehlen je zehn Stimmen der drei größten Länder für die nötige qualifizierte Mehrheit von 62 Stimmen.

Es geht darum, wie künftig in Europa mit schrottreifen Autos verfahren wird. In einer großen Koalition plädieren Umweltverbände, die meisten Parteien aber auch Automobilclubs dafür, daß die Autohersteller verpflichtet werden sollen, umsonst Altautos vom letzten Nutzer zurückzunehmen. Die Kosten sollen sie auf den Neuwagenpreis aufschlagen. Die Hersteller sind dagegen. Sie wollen lieber eine Rücknahmegebühr erheben. Damit blieben die Entsorgungskosten beim letzten Halter hängen, beim Gebrauchtwagenfahrer mit kleinem Geldbeutel. Entsorgung auf wilden Müllkippen bliebe weiter attraktiv.

Bislang gelten in den Mitgliedstaaten stark voneinander abweichende Regelungen. Kostenlose Rücknahme von Altfahrzeugen gibt es nur in den Niederlanden und Schweden. Der jetzt vorliegende Richtlinienentwurf soll die Wettbewerbsbedingungen in der Autoindustrie vereinheitlichen. Käme die Richtlinie durch, müssten am 1. 1. 2003 nationale Gesetze in Kraft sein. Quoten für Wiederverwendung und Verwertung sind dann vorgeschrieben: Bis zum 1. 1. 2005 müssen 80 Prozent des Fahrzeuggewichts recycelt werden, bis zum 1. 1. 2015 sollen es 85 Gewichtsprozent sein.

Brüsseler Diplomaten bezeichnen die deutsche Blockadehaltung als problematisch. Sollte das Beispiel Schule machen, müßten künftig nach jedem Regierungswechsel die Kommissionsmitarbeiter von vorn anfangen. Unter der Kohl-Regierung galt die Altautorichtline schon als so gut wie verabschiedet.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen