: „Das Tafelsilber verkaufen“
■ Hajo Hoffmann (SPD), Präsident des Deutschen Städtetages, errechnet eine Mehrbelastung von drei Milliarden Mark für die deutschen Kommunen
taz: Welche Auswirkungen haben die Bonner Sparpläne für die Kommunen?
Hoffmann: Daß man die aktive Arbeitsmarktpolitik auf dem Niveau des Jahres 1999 verstetigen möchte, ist zunächst einmal positiv zu bewerten. Das zweite Positive: Das Sonderprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit soll verlängert werden. Das liegt auch im Interesse der Kommunen. Absolut nicht befriedigend ist jedoch das, was zum Thema Wohnen geplant ist. Sowohl für das Wohngeld als auch für den sozialen Wohnungsbau. Zuerst mal: Der soziale Wohnungsbau wird weiter reduziert ...
... das ist vom Wohnungsbauministerium bereits dementiert worden.
Der zentrale Punkt ist sowieso die Frage des Wohngeldes. Beim Tabellenwohngeld hatten wir seit 1990 keine Anpassungen mehr. Wir haben also eine schleichende Erhöhung der Sozialhilfe durch die nicht ausreichende Anpassung des Wohngeldes gehabt. Jetzt soll es angehoben werden. Ist das nur eine optische Anhebung? Oder ist es eine, die einen entsprechenden Ausgleich zu den gestiegenen Mieten ausmacht? Der entscheidende Punkt ist jedoch, daß das pauschalierte Wohngeld praktisch aufgehoben wird – das wird sich in der Sozialhilfe niederschlagen. Wir gehen davon aus, daß das rund eine Milliarde Mark Mehrausgaben für die Kommunen bringen wird. Das ist für uns absolut unbefriedigend. Dann ist da die Frage der Finanzierung des Kindergeldes. Wir sind im Augenblick mit sechs Milliarden Mark an der Finanzierung des Kindergeldes beteiligt. Wenn der Familienlastenausgleich so gestaltet wird, wie das jetzt vorgesehen ist, sind wir wiederum mit einer Milliarde Mark zusätzlich dabei. Ganz lapidar heißt es im Sparprogramm, daß diese Mehrausgaben durch Entlastungen in anderen Bereichen ausgeglichen würden. Was soll ich denn mit so einer vagen Äußerung anfangen?
Eine weitere bemerkenswerte Belastung: die Unterhaltszahlungen. Die Kommunen werden beauftragt, den Unterhaltsvorschuß für die Alleinerziehenden mitzufinanzieren. Das ist doch der Ausweis dafür, daß sich der Bund hier um ein Thema drückt. Da überträgt uns der Bund eine Last von ca. 230 Millionen Mark. Das ist schon ein Hammer. Nach einer ganz groben Schätzung wird für die Kommunen eine Mehrbelastung von insgesamt etwa drei Milliarden Mark herauskommen.
Was bedeutet das für die einzelnen Kommunen?
Das muß man herunterberechnen auf die Größe der einzelnen Stadt. Diese Auswirkungen treffen die größeren Städte stärker als kleine oder ländliche Kommunen. Das wäre alles zu verkraften, wenn die großen Städte einen strukturell ausgeglichenen Haushalt hätten. Das ist aber nicht der Fall.
Wie können die Kommunen mit der Mehrbelastung fertig werden?
Sie können ihr Tafelsilber verkaufen – aber irgendwann ist das Zeugs weg. Wenn sie die Stadtwerke einmal verkauft haben, haben sie keine kontinuierliche Gewinnerwartung mehr. Dann ist das Haushaltsloch zwar optisch geschlossen worden. Aber nach der kurzen Freude darüber, nach dem Aufzehren dieses Einmalbetrages, wird der Katzenjammer kommen.
Müssen bei Einsparungen nicht notwendigerweise Leistungen auf der Strecke bleiben?
Man kann einsparen, indem man effizienter ist. Insofern will ich auch nicht bestreiten, daß da ein heilsamer Druck besteht, in Zeiten schwieriger Kassenlage Rationalisierungsmöglichkeiten besser zu erkennen. Das muß schon sein. Das wird aber nie ausreichen, um ausgeglichene Haushalte zu bringen. Das heißt, die Kommunen müssen Leistungen einschränken. Das ist ein ganz bitteres Geschäft, weil die Kommunen keine Möglichkeit haben, Konflikte weiterzureichen – die müssen sie direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern austragen. Interview: Stefan Kuzmany
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