: Holocaust-Mahnmal in Berlin
■ betr.: „Bleib in deiner Sprache“, taz vom 22. 6. 99
Wenn man bedenkt, daß die Diskussion um das Holocaust-Mahnmal nunmehr bereits seit über zehn Jahren im Gange ist und man mit der Errichtung noch nicht einmal begonnen hat, so kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß nicht nur die Mehrheit unserer Politiker, sondern auch die Mehrheit unserer Bürger wohl kein Interesse mehr an der Verwirklichung dieses von Lea Rosh initiierten Projektes haben.
Es scheint, als ob man auch noch 66 Jahre nach Hitlers Machtergreifung und 54 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr an diese Vergangenheit erinnert werden will und am liebsten einen Schlußstrich ziehen würde! Gerade die von unserem Regierenden Bürgermeister Diepgen in letzter Zeit geäußerten Bedenken gegen die Monumentalität des Eisenman-Entwurfs und die damit verbundene Befürchtung von Provokationen, Anschlägen und Schmierereien an diesem Mahnmal sollten uns alle aufhorchen lassen, denn hier werden Argumente vorgebracht, die nur darauf ausgerichtet sind, im Vorfeld des Berliner Wahlkampfs auf Stimmenfang auch im äußersten rechten Lager zu gehen!
Es ist an der Zeit, sich mit dem Thema weniger emotional auseinanderzusetzen und dafür mehr Sachlichkeit und Information in die gesamte Diskussion zu bringen. auch sollte man uneinsichtige und nichtinformierte Bürger darüber aufklären, daß die Aufgabe eines Mahnmals nicht nur die Erinnerung ist, sondern auch die Warnung davor, daß derartige Verbrechen sich nicht wiederholen dürfen. Angesichts immer mehr zunehmender rechtsradikaler Ausschreitungen und Übergriffe gegen ausländische Mitbürger unseres Landes und der rechtspopulistisch geführten Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein solches Mahnmal sogar noch wichtiger geworden.
Darüber hinaus muß mit allen Mitteln verhindert werden, daß das Holocaust-Mahnmal von den Parteien politisch instrumentalisiert und zu einem gefährlichen „Spielball“ wird: Er könnte schnell ins „Abseits“ geraten, und das würde dem Ansehen Deutschlands, das Herrn Diepgen ja so am Herzen liegt, erst recht Schaden zufügen. Thomas Henschke, Berlin
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