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SPD-Schulexperte wird vom Vorstand abgemeiert

■ Gesamtschulen ohne Oberstufe auflösen? Die Partei ist um Schadensbegrenzung bemüht

Ausgerechnet Peter Schuster! Bislang galt der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion in der Partei als Bremser, wenn es um leistungsorientierte Reformen des Schulsystems ging. Expreß-Abitur, ein früherer Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium – das mußte die Partei im Frühjahr noch gegen den entschiedenen Widerstand ihres Bildungsexperten durchsetzen, um der CDU das Wahlkampfthema zu entwinden.

Jetzt hat sich Schuster plötzlich selbst an die Spitze der Reformer gestellt, und wieder hat er es den Genossen nicht recht gemacht. Ein paar Sätze nur über die Gesamtschulen auf dem Bildungskongreß der Partei vor einer Woche – schon hat die SPD ohne Not eine Debatte am Bein, die sie im Wahlkampf nicht brauchen kann. Heute berät der Landesvorstand, wie das Desaster wieder unter Kontrolle zu bringen ist.

Es hilft Schuster wenig, daß sein Vorschlag gar nicht unvernünftig ist. An knapp der Hälfte der 70 Berliner Gesamtschulen können die Schüler kein Abitur ablegen. Eine Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe sei aber, glaubt Schuster, keine Gesamtschule. Denn schon in der Mittelstufe fehlten ihr leistungsorientierte Schüler, weil Eltern ungern neuerliche Schulwechsel riskieren. Wo immer möglich, sollten Gesamtschulen daher an bestehende Oberstufen angebunden werden. Schulen, an denen das nicht möglich sei, sollten sich nicht mehr mit dem Etikett „Gesamtschule“ schmücken, sondern den Namen tragen, den sie verdienen: „Integrierte Haupt- und Realschule“.

Die feinziselierten Argumente des Experten taugen für den Wahlkampf kaum. Flugs titelte eine Zeitung: „SPD will 32 Gesamtschulen auflösen.“ Jenes Drittel der Berliner Elternschaft, das seine Kinder auf Gesamtschulen schickt, war damit ebenso erfolgreich in Panik versetzt wie das traditionell sozialdemokratische Milieu der Gesamtschulpädagogen.

Kein Wunder also, daß die führenden Genossen intern die Augen verdrehen, wenn sie den Namen Schuster nur hören. „Genervt“ sind sie vom „völlig unnötigen Streit“. Nach außen aber bemühen sie sich um Schadensbegrenzung. Eine Debatte über die Gesamtschulen zu führen, sei „vernünftig“, erklärt Parteichef Peter Strieder. Ohne Oberstufe, das sei gewiß „nicht der Idealtypus“ der Gesamtschule. Schließlich schicke er selbst seine Kinder mit Bedacht auf eine Gesamtschule, auf der sie auch das Abitur machen könnten.

Auch Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) zeigte sich über den neuen Reformeifer ihres Parteifreunds Schuster erfreut. Es sei „nicht angemessen“, aus dessen Äußerungen „ein derartiges Drama“ zu machen. Sie selbst fand es schon immer erstrebenswert, daß sich die Schülerschaft an Gesamtschulen zu je einem Drittel aus Schülern mit Haupt-, Real- und Oberschulempfehlung zusammensetze. Man dürfe eine Gesamtschule „nicht verpflichten, 90 Prozent Hauptschüler zu nehmen“. Die Schüler sollten lieber eine Hauptschule besuchen, wo sie wegen der kleineren Klassen besser gefördert würden. Sie erwarte, daß der Landesvorstand heute abend Schusters Grundaussagen bekräftige. Ralph Bollmann

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