Red Bull verleiht Steinway-Flügel

■ Fachsimpeln, Plattendrehen: Am Wochenende ging die Berliner DJ-Akademie zu Ende

Manchmal ist sowenig Werbung wie möglich wahrscheinlich die beste. Und will man ein Getränk promoten, das Geist und Körper belebt, sollte man in der Geist-Abteilung sparsam mit dem Plakatieren von Logos sein. So schien es zumindest bei der Red Bull Music Academy, die am Wochenende in Berlin zu Ende ging.

63 Teilnehmer – neun Frauen und 54 Männer – aus ganz Europa hatten die Veranstalter in zwei Abteilungen eingeflogen, zwei Wochen dauerte eine Unterrichtseinheit. 620 Nachwuchs-DJs hatten sich beworben. Drei Etagen eines Berliner Tagungsgebäudes wurden für diesen Zweck im Sechziger-Stil hergerichtet und mit Technik vollgestellt. Die DJ-Akademie baut auf vier Säulen auf: Geschichte, Technik, Busineß und skills, also Fertigkeiten hinter den Plattentellern. Analog dazu ist der Ablauf: Morgens bekommt man beigebracht, wie man einen Plattenspieler auseinander- und wieder zusammenbaut, dann folgt eine Geschichtslektion, in der illustre DJs aus aller Welt ihr Genre beleuchten oder schlicht Schwänke aus ihrem Leben erzählen; nachmittags geht es darum, wie man nicht über den Tisch gezogen wird. Am Schluß stehen dann Studios zur Verfügung, um das zu tun, was man am besten kann: Plattendrehen. Und obwohl all das eine Menge gekostet hat, blieb der Sponsor im Hintergrund: keine Red-Bull-Sonnenschirme, und im Kühlschrank standen gleichberechtigt Mineralwasserflaschen.

Doch diese Zurückhaltung ist Programm. Red Bull setzt auf Glaubwürdigkeit in einem Marktsegment, das so gründlich durchsponsert ist wie die Clubszene, wo die Nennung eines Firmennamens mittlerweile bestenfalls zu Achselzucken führt. Man reicht das Geld rüber, läßt die Kinder machen und vertraut darauf, daß die Veranstaltung so gut wird, daß die Zielgruppe irgendwann auch erfährt, wer da soviel Geld ausgegeben hat. Nur eben nicht aus dem Fernsehen, sondern aus dem Mund des Plattenhändlers.

Und so hat die DJ-Akademie dann auch etwas von der Zweckfreiheit der antiken Urformen. Da wird durch die Studios gewandelt und sich gegenseitig auf die Finger geschaut, mit Platten unter dem Arm über Afrobeat-Wiederveröffentlichungen und rare Disco-Maxis gefachsimpelt oder über post war electronic music philosophiert. Glückliche Jungs sitzen um den goldenen Plattenspieler im Auditorium und spielen sich gegenseitig ihre Lieblingsplatten vor. Der Detroiter DJ Claude Young freut sich bei jeder Platte, die er vorspielt aufs neue, was für „crazy shit“ er denn da eigentlich jede Nacht mit zur Arbeit nimmt, die Scratch-Crew Invisible Scratch Piklz aus San Francisco geben Schweizer B-Boys Nachhilfestunden, und der Londoner Reggae-DJ David Rodigan treibt hartgesottenen Iren mit Erzählungen über rare Jamaica-Singles tatsächlich Tränen in die Augen.

Tobias Rapp