piwik no script img

Du mußt eklige Sachen essen

In diesem Kino werden keine Gefangenen gemacht: „The Corruptor“ soll Chow Yun-Fat in seinem zweiten Hollywoodfilm nun auch im Westen etablieren  ■ Von Thomas Winkler

Alles beginnt mit einer großen, mächtigen Explosion. Unvermittelt. So muß es sein. Damit man weiß, wo es langgeht. Anschließend wird sofort jemand aus kurzer Distanz erschossen. Keine zwei Minuten später sind wir in ein zünftiges Feuergefecht verwikkelt. In diesem Kino, soviel ist schon mal klar, werden keine Gefangenen gemacht.

Andererseits: Natürlich geht es in „The Corruptor“, der den schönen deutschen Untertitel „Im Zeichen der Korruption“ erhalten hat, nicht um Spannungsaufbau. Nicht in erster Linie jedenfalls. Statt dessen soll zum einen Chow Yun-Fat, der neben Jackie Chan größte Star des asiatischen Kinos, mit seinem zweiten Hollywoodfilm endlich auch im Westen etabliert werden.

Zum anderen soll die Bevölkerung der Chinatowns der amerikanischen Großstädte endlich mal von ihren Videorekordern weggelotst werden, wo sie am liebsten die Originale aus Hongkong sehen. Deswegen ist „The Corruptor“ der erste Film aus Hollywood, in dem nahezu ausschließlich chinesische Gesichter zu sehen sind.

Allein noch Co-Star Mark Wahlberg dient dem kaukasischen Publikum zur Identifikation. Der spielt einen Jung-Cop, der nach Chinatown in New York versetzt wird, wo Chow Yun-Fat eine Spezialeinheit leitet, die sich mit den Triaden herumschlägt. Oder besser gesagt: mit ihnen arrangiert zum Wohle beider Seiten. Nach anfänglicher Bewunderung für seinen hart durchgreifenden Chef entdeckt Wahlberg, daß der sich vom altehrwürdigen Triaden-Boß schmieren läßt, verstrickt sich aber selbst zusehends ins korrupte System. Strafverschärfend kommt noch ein Vater hinzu, der selbst einmal ein korrupter Bulle war.

Diese Konstellation bietet Anlaß zu einem halben Dutzend wechselseitiger Vater-Sohn-Konflikte, der üblichen Buddy-Movie-Entwicklung von Ablehnung über Respekt bis zur Freundschaft, Schwanzlängenvergleich, ein paar zusätzliche Mannbarkeitsrituale und kleine Scherze über den Culture Clash: „Wenn du Chinese sein willst“, sagt Chow zu Wahlberg, „mußt du die ekligen Sachen essen.“ Trotz seiner modischen Fotografie ist „The Corruptor“ mit viel Handkamera und langen Brennweiten ein eher altmodischer Film, und Frauen tauchen dann auch nur als Nutten und Opfer auf; mit seinem durchaus intelligenten Verwirrspiel aus Loyalität und Verrat aber erinnert „The Corruptor“ hin und wieder sogar an „Donnie Brasco“.

Freilich ist Chow Yun-Fat als Nick Chen den gebrochenen Helden und Bösewichtern mit gutem Herzen zu ähnlich, die er in Hongkong für John Woo spielte, dessen Baller-Orgien ihn in Asien zum Star gemacht haben. „Verglichen mit John Woo ist das nichts“, sagte Chow in einem Interview, angesprochen auf die Gewalt in „The Corruptor“. Innerhalb des völlig übersteigerten, fast schon karikierenden Stils von John Woo wirkten die pathetischen Gesten von Chow angemessen. Verpflanzt in ein trotz exzessiver Schußwechsel doch grundsätzlich klassisches Cop-Drama, wird dieselbe Schauspielerei des öfteren zum Overacting und Chow zur Parodie seiner selbst. Im Gegensatz dazu gibt Wahlberg die ausgelutschte Schablone vom aufrechten, idealistischen Nachwuchsbullen überraschend klischeearm.

Trotzdem: „The Corruptor“ ist immer noch um Klassen besser als der zwar visuell aufgeblasene, aber vollkommen nichtssagende „The Replacement Killers“, Chow Yun-Fats erster Hollywood-Streifen. Für den Rolling Stone war „The Corruptor“ zwar ansehbar, aber trotz einer gelungenen Verfolgungsjagd, die Erinnerungen an den Cop-Klassiker „French Connection“ hervorrufen soll, und einem Handfeuerwaffenballett, bei dem die Magazine eindeutig im Gedenken an John Woo in rekordverdächtiger Geschwindigkeit leergeschossen werden, doch nur „NYPD Blue lite“. Der Soundtrack ist beherrscht von HipHop, Chow summt abwesend kantonesische Schlager vor sich hin und zitiert aus Frank-Sinatra-Songs. So gesehen ist „The Corruptor“ die gelungene Synthese aus Hongkong-Action und westlicher Dramatisierung. Oder der kleinste gemeinsame Nenner. In Hongkong hatte Yun-Fat jedenfalls nicht den Hauch einer Chance gegen das aktuelle Chan-Vehikel „Gorgeous“. Noch nicht einmal Proteste löste es aus, daß das Leben in Chinatown in „The Corruptor“ doch recht gesetzlos beschrieben wird: Gerade mal eine Interessenvertretung beschwerte sich über einseitige Darstellung ihrer Volksgruppe.

Trotzdem wird Chow Yun-Fat sein jetzt dreijähriges Experiment nicht abbrechen und nach Hongkong zurückkehren. Im September soll Chow wieder mit Woo drehen. Vorher aber wird er uns begegnen als König von Siam an der Seite von Jodie Foster in einem 60 Millionen Dollar teuren Remake von „The King and I“, das bereits in Malaysia abgedreht wurde. Allerdings wird die Geschichte nicht wie damals mit Yul Brunner und Deborah Kerr als Musical umgesetzt. Schade, schließlich ist Chow in Asien doch auch als Sänger ziemlich erfolgreich.

„The Corruptor“. Regie: James Foley. Mit Chow Yun-Fat, Mark Wahlberg, Ric Young u.a., USA 1999, 110 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen