„Vieles bleibt unverbindlich“

■ Gisela Breil, Vizevorsitzende des Deutschen Frauenrates, sieht die frauenpolitischen Anliegen hinter wirtschaftlichen Interessen verschwinden

taz: Im Programm „Frau und Beruf“ werden Maßnahmen angekündigt, aus denen sehr wenige gesetzliche Veränderungen folgen. Ist das nun der große Aufbruch in der Frauenpolitik?

Gisela Breil: Bei genauer Betrachtung wächst die Skepsis – obwohl die meisten zentralen Problemfelder, die angegangen werden müssen, in dieses Programm aufgenommen sind. Leider bleibt es oft in Unverbindlichkeit stekken. An vielen Stellen steht, „die Bundesregierung bemüht sich“, „die Bundesregierung überprüft“, und zwar auch bei Punkten, wo es eigentlich gar nichts mehr zu überprüfen gibt oder wo man überhaupt nicht nachvollziehen kann, wieso die Bundesregierung sich jetzt nur „bemüht“ und nicht „macht“. Das „Mainstreaming“ zum Beispiel ist ja schön. Da werden die Auswirkungen der staatlichen Vorhaben auf die Geschlechter untersucht, aber es gibt keine Überprüfung, keine Berichtspflicht, nichts.

Sehen Sie noch Chancen für ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft?

Die formulierten Ziele sind in Ordnung und werden der betrieblichen Vielfalt gerecht. Abzuwarten bleibt, ob die Akteure im Betrieb auch effektiv verpflichtet werden zu handeln. Dazu gehören dann eben auch Sanktionen. Die Frauen werden Druck machen müssen, um Regelungen durchzusetzen, die auch greifen.

Auch der Erziehungsurlaub wird nun lediglich „flexibel“, die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit in dieser Phase gehören auch in den Bereich „prüfen“.

Da bin ich enttäuscht, weil ich befürchte, daß genau das Stück Verbindlichkeit, das wir haben wollten, zumindest mit dieser Formulierung nicht erreicht wird. In den Koalitionsvereinbarungen war das Recht auf Teilzeitarbeit im Erziehungsurlaub enthalten. Alles andere bringt nichts. Auch der Rechtsanspruch auf familienbedingte Teilzeitarbeit nach der Phase des offiziellen Erziehungsurlaubes fehlt. Denn wenn die Kinder in die Schule kommen, gehen für Frauen die Probleme erst los. Das ist oft der Punkt, wo Frauen aussteigen müssen, so wenig Hortplätze wie es gibt.

Hat Ministerin Bergmann mit diesem Programm einen Ansatzpunkt zum Handeln verschenkt? Ist das nun „Nolte II“?

Nein, auf keinen Fall. Ich bin mir sicher, daß sie getan hat, was sie konnte. Mit Frau Nolte hatten wir eine Ministerin, mit der wir über die drei Jahre Erziehungsurlaub überhaupt nicht diskutieren konnten. Frau Nolte war klar, daß die Kinder am besten bei der Mutter aufgehoben sind. Für die Frauen in der jetzigen Regierung ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Frauen erwerbstätig sind und daß man die Bedingungen für Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern muß.

Der Gegenwind in dieser Regierung scheint kräftig zu sein. Wie soll es weitergehen?

Wir müssen uns in unserer Lobbyarbeit stärker mit den Männern in der Regierung auseinandersetzen. Wir müssen auch als Gewerkschaftsfrauen ein Gespräch mit dem Kanzler führen und den Ministern deutlich machen, daß sie nicht zuletzt von den Frauen gewählt wurden. Wenn die frauenpolitischen Anliegen der Wirtschaft untergeordnet werden, wie dies immer wieder durchscheint, dann wird die Regierung die Quittung bekommen.

Inteview: Heide Oestreich