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Rot-Grün will den leichten Klaps auf den Po des Nachwuchses per Gesetz ächten

■ Keine strafrechtlichen Konsequenzen geplant. CSU fürchtet „Zerstörung des Vertrauensverhältnisses in der Familie“

Berlin (taz) – Rot-Grün will mit dem letzten Rest patriarchaler Strukturen aufräumen. Gestern brachten die Fraktionen von SPD und Grünen einen gemeinsamen Gesetzentwurf in den Bundestag, mit dem Kinder ein „Recht auf gewaltfreie Erziehung“ erhalten sollen. Im Gespräch mit der taz protestierte die jugendpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Maria Eichhorn (CSU), gegen den Entwurf. Sie befürchtet, daß ein einklagbares Recht der Kinder das Vertrauenverhältnis in der Familie zerstört und zu einer Kriminalisierung der Eltern führt.

„Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen“ sind zwar schon jetzt strafbar, Ohrfeigen und auch die Tracht Prügel gehören im allgemeinen Verständnis jedoch immer noch zu den üblichen Erziehungsmethoden. Nach einer Studie des Kriminologischen Institutes Niedersachsen berichten über die Hälfte der befragten Jugendlichen, bis zu ihrem 12. Lebensjahr Gewalt erlitten zu haben. Im Kinder- und Jugendbericht des Familienministeriums von 1998 heißt es, daß in Deutschland jährlich 150.000 Kinder durch ihre Eltern mißhandelt werden.

Die Neuregelung soll auf mehreren Ebenen greifen. Erstmalig wird vom Kind als Rechtsträger ausgegangen. Jede Art von Gewalt gegen den Nachwuchs ist unzulässig, selbst der leichte Klaps auf den Hintern. Aufgeführt werden auch „seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen“. Damit sinkt die Schwelle für ein Eingreifen der Jugendbehörden. „Es geht uns nicht darum, in jedes Wohnzimmer einen Aufpasser zu stellen“, erklärt der Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestages, Rolf Stöckel (SPD). „Es wird keine strafrechtlichen Konsequenzen geben. Wir wollen eine neue Norm setzen, die zum Leitbild wird.“

Wie in Schweden: Dort hat mit dem gesetzlichen Züchtigungsverbot ein Bewußtseinswandel in der Bevölkerung eingesetzt und die Gewalt gegen Kinder abgenommen. In Deutschland soll dieser Wandel nach der Verabschiedung des Gesetzes mit einer Informationskampagne eingeleitet werden.

„Hilfe statt Strafe“ ist das eigentliche Ziel der Neuregelung. Die Kinder- und Jugendhilfe solle „Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können“, heißt es in dem Text. Um diesen Anspruch zu erfüllen, sollen zusätzliche Mittel in Aufklärung, Beratung und Prävention fließen.

Auch das Justizministerium setzt sich für die Neuregelung ein. Bernhard Böhm, Sprecher des Ministeriums: „Studien zeigen: Wer als Kind geschlagen wird, schlägt später selbst. Diesen Gewaltkreislauf müssen wir durchbrechen.“ Georg Gruber

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