Kommentar: Cool bleiben
■ Scherf ist nicht sozial interessiert
Daß die CDU Sozialhilfe-Statistiken zur Stimmungsmache gegen die Ärmsten der Armen nutzt, ist keine große Überraschung. Die Reaktion zeigt vielmehr, daß sich hinter dem Vorwurf des angeblichen Sozialhilfemißbrauchs ein selbstgemachtes Problem verbirgt: Daß sich die Großkoalitionäre mit dem vereinbarten Nullwachstum für die Sozialausgaben in eine verteufelte Situation gebracht haben.
Denn schon kurz nach dieser Vereinbarung schreckte CDU-Finanzsenator Hartmut Perschau hoch: Wenn das neue rot-grüne Sparpaket kommt, stehen Bremen Mehrkosten von 60 Millionen Mark ins Haus. SPD-Bürgermeister Henning Scherf dagegen blieb völlig cool – und signalisierte nur knapp seine Zustimmung für ein Bremer „Ja“ im Bundesrat zum neuen Gesetzesentwurf.
Von Bremer Landesinteressen, an die Scherf Bremens Zustimmungsverhalten im Bundesrat eigentlich künftig knüpfen wollte, ist plötzlich keine Rede mehr. Stattdessen geht's auf zum bremischen Kuschelkurs mit dem Bundesfinanzminister, während die designierte SPD-Sozialsenatorin Hilde Adolf schon mal ohne bürgermeisterliche Unterstützung ins aufgeklappte Sparmesser rennen darf.
Man kann dem Bürgermeister und ehemaligen Sozialsenator für diese prompte Nichtreaktion nur danken, zeigt sie doch zweierlei: Was Scherf wirklich mit bremischen Interessen meint – und wer in der Stadt künftig bei der Sozialpolitik das Sagen hat. Katja Ubben
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