: Ländliches Viertel in der Stadt
Nach über 25 Jahren ist die Sanierung der Falkenried-Terrassen abgeschlossen. Dadurch wird ein historisches Arbeiterquartier erhalten ■ Von Gernot Knödler
Fast ein wenig ländlich muten sie an, die Terrassen-Häuser zwischen der Straße Falkenried und der Löwenstraße in Eppendorf. Zwischen den zweistöckigen Gebäudezeilen gibt es sandbedeckte Promenaden mit Bäumen und gepflasterten Gehsteigen am Rand. Vor vielen Häusern haben die MieterInnen bunte Blumenrabatten angelegt. Im ersten und zweiten Stock stehen die Fenster offen, Autos gibt es nicht – ein Sommeridyll.
Noch in den 60er und 70er Jahren sahen das viele Planer und Politiker anders. Die Terrassen waren baufällig. Sie galten als eng und ungesund und sollten abgerissen werden. Es waren die MieterInnen, die um die Erhaltung der Terrassen kämpften. Gestern sonnten sie sich im Erfolg: Die 324 Wohnungen der inzwischen gegründeten Mieter-Genossenschaft sind saniert. Preiswerter Wohnraum für Eppendorf konnte erhalten werden und gleichzeitig Hamburgs größtes historisches Terrassenviertel.
Die Wohnungen waren zwischen 1890 und 1902 für die Arbeiter der nahegelegenen Straßenbahnwerkstätten gebaut worden und für diejenigen, die durch den Bau der Speicherstadt ihr Zuhause verloren. Nach heutigen Maßstäben sind sie klein: durchschnittlich 35 Quadratmeter bei anderthalb Zimmern und einer Wohnküche. Noch in den 70er Jahren gab es lediglich in einem Zimmer einen Gasofen und bestenfalls provisorische Bäder. „Ich selbst habe warmes Wasser von der Dusche zum Abspülen um die Ecke in die Küche geleitet“, erzählt Marion Martienzen vom Vorstand der Mieter-Genossenschaft.
An ihrer Rückseite stehen sich die Terrassenhäuser mit bestenfalls zwei Metern Abstand gegenüber. Trotz der niedrigen Bauhöhe, fällt unter diesen Umständen nicht viel Licht ins Parterre. Viele SozialdemokratInnen seien lange Zeit für den Abriß dieser Armenquartiere gewesen, weil sie selbst in solchen Wohnungen aufwuchsen, erzählt der ehemalige SPD-Sozialsenator Jan Ehlers, der die Sanierung stets unterstützte.
Die MieterInnen dagegen mochten ihr Viertel. In den 70er Jahren vereitelten sie die Abrißpläne der Saga und der Neuen Heimat, in den 80ern die drohende Luxusmodernisierung und in den 90ern stritten sie für die Sanierung. Insgesamt 46 Millionen hat es gekostet, die Häuser herzurichten. Elf Millionen davon sollen die MieterInnen als Umlage für von ihnen gewünschte Modernisierungen aufbringen. Diese Summe wurde über Kredite vorfinanziert; 600.000 Mark bezahlt die Genossenschaft über Kredite. Den Rest trägt die Stadt.
Wer heute im Falkenried wohnen will, darf nur über ein geringes Einkommen verfügen. Steigt es, muß die MieterIn eine Art Fehlbelegungsabgabe bezahlen. Überdies sind 20 Wohnungen Obdachlosen und Sozialprojekten vorbehalten. Die Häuser gehören der Lawaetz-Stiftung und werden von der Mieter-Genossenschaft verwaltet.
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