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Kein Friede mit Babylon

■ Und wenn die Stadtmauern wackeln: Burning Spear zündeln beim Reggae Summer Jam in der Columbiahalle

Als die erste Burning Spear Single „Door Peeper“ vor dreißig Jahren in Jamaikas Plattenläden landete, wurde sie kaum wahrgenommen wurde. Damals beherrschte Rocksteady die Soundsystems. Die Musik handelte vom Leben als cooler Rudeboy auf der Straße und orientierte sich vor allem an US-amerikanischem Soul. Nur bei Burning Spear ging es um Politik, die Rastafari-Religion und schwere, minimierte Rhythmen.

Als die Hochzeiten des Roots-Reggae kamen, wurden Burning Spear neben Bob Marley die zweiten Superstars des Reggae. Doch im Unterschied zu Marley war Burning Spear nicht weltweit crossoverfähig. Dafür war die Musik dann doch zu sperrig, die Rhythmen zu schwer und der Sound nicht melodisch genug; und wo man die Lyrics bei Marley immer noch ins Allgemein-Menschliche wenden konnte, um eine Aussage für sich herauszufiltern, war Burning Spear unversöhnlich: Babylon regiert! Von Christoph Kolumbus bis zu den Eigentümern der Plattenfirmen ist jeder der Feind. Dagegen hilft nichts außer kiffen und eben jenem Babylon die Wahrheit entgegenzuschleudern bis die Stadtmauern wackeln: „Christopher Columbus is a damn blasted liar!“ Und alle anderen sind auch nicht besser.

Wie viele Reggae-Acts gingen auch Burning Spear aus dem Umfeld des sagenumwobenen Studio One hervor. Zunächst war die Gruppe als Vocal-Trio konzipiert, doch nach zwei Alben löste sich Burning-Spear-Mastermind Winston Rodney erst von Studio One und wechselte zu Island, dem Label, das auch Bob Marley zum Superstar machte und trennte sich dann wenig später von den zwei anderen Sängern, um fortan alleine weiterzumachen. Er brachte ein Roots-Album nach dem anderen heraus, die alle darlegen, was das Leben des Ghetto-Sufferers, die schwarze Geschichte, die Rastafari-Religion, Afrika und Marcus Garvey miteinander zu tun haben. Dann schickte er außerdem diverse Dub-Versionen, also die durch diverse Echokammern geschickten Remixe, hinterher. Als Anfang der achtziger Jahre der Dancehall-Style Jamaika übernahm, blieben Burning Spear bei ihrem Stil.

Seit 1969 gibt es Burning Spear nun und mittlerweile hat Winston Rodney einen grauen Bart. Kein Friede mit Babylon, kein Fußbreit dem Schweinesystem. Ihm eilt der Ruf voraus, ein begnadeter Performer zu sein, und so zumindest für die Dauer eines Konzerts Babylon und seine Schergen vor die Eingangstore der Konzerthallen zu zwingen. Tobias Rapp

Reggae Summer Jam; Mit Burning Spear, Mutabaruka u.a. am Sonntag um 20 Uhr in der Columbiahalle

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