Milosevic wieder in der Offensive

■  Der jugoslawische Präsident läßt Bildung einer „patriotischen Bundesregierung“ ankündigen und verlegt Teile der Armee nach Montenegro. Nato warnt vor Militärputsch und verspricht der Teilrepublik Beistand

Belgrad/Washington (dpa/AFP/rtr/taz) – Jugoslawiens angeschlagener Präsident Slobodan Miloševic meldet sich zurück: Am Donnerstag abend kündigte sein Regierungschef Momir Bulatovic eine Umbildung des Kabinetts an. Ziel der „patriotischen Bundesregierung“ sei „die Bewahrung der im Verteidigungskampf gegen die Nato-Agressoren aufgebauten breiten Volkseinheit“, sagte Bulatovic. Der Regierung, die sich für Wiederaufbau, Reformen und gleichberechtigte Beziehungen zu allen Staaten einsetzen will, sollen neben Miloševic' Sozialistischer Partei, Bulatovic' Sozialistischer Volkspartei und der kommunistischen JUL von Miloševic' Frau Mira Markovic auch der ultrarechte Chef der Radikalen, Vojislav Šešelj, angehören.

Entgegen anderslautenden Äußerungen des Premierministers erteilte der Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung, Vuk Draskovic, der Allparteienregierung eine Absage. Vielmehr verlangte der ehemalige Vizeregierungschef Jugoslawiens die Bildung einer Übergangsregierung, wobei der amtierende Premierminister durch ein Mitglied der montenegrinischen Regierungspartei ersetzt werden solle. Diese Übergangsregierung solle dann Neuwahlen vorbereiten. Es könne keine neue Bundesregierung geben, wenn diese nicht die Frucht einer demokratischen Aussöhnung zwischen Serbien und Montenegro sei, sagte Draskovic.

Danach sieht es im Moment nicht aus, im Gegenteil. Nato-Angaben zufolge verstärkt Miloševic seine Einheiten in Montenegro und hat Schlüsselpositionen mit loyalen Serben besetzt. Der Nato-Oberkommandierende für Europa, US-General Wesley Clark, bezeichnete die Lage in Montenegro als „sehr gespannt“ und warnte davor, daß Miloševic möglicherweise einen Militärputsch gegen die pro-westliche Führung in der jugoslawischen Teilrepublik vorbereite.

US-Verteidigungsminister William Cohen rief die Serben dazu auf, sich jeder Aktion gegen Montenegro zu widersetzen. Nato-Generalsekretär Javier Solana sagte in Sarajevo, die Nato werde Eingriffe Belgrads in der Teilrepublik Montenegro „nicht tolerieren und handeln, wenn dies erforderlich ist“.

Unterdessen traf der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic zu Gesprächen mit der italienischen Regierung in Rom ein. Zuvor hatte Djukanovic gesagt, Jugoslawien sei zu einem „Experimentierfeld“ Miloševic' und seines „autistischen und fremdenfeindlichen Regimes“ geworden. Unter Hinweis auf die vor dem Internationalen Gericht in Den Haag erhobene Klage gegen Miloševic sagte Djukanovic, Montenegro werde jeden Verdächtigen an das Tribunal ausliefern.

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