piwik no script img

„Schwerste Krise der Partei“

Realo-Papier und Regenbogen: Auf ihrer Mitgliederversammlung setzt sich die GAL vor allem mit sich selbst auseinander  ■ Von Peter Ahrens

Draußen scheint die Sonne, und die Leute feiern 25 Jahre Mümmelmannsberg. Drinnen sitzt die GAL, und ihr stellvertretender Fraktionschef in der Bürgerschaft, Martin Schmidt, sagt: „Die Partei ist in der schwersten Krise, seit es die Grünen gibt.“ Es ist die eigene Befindlichkeit, mit der sich die GAL bei ihrer Mitgliederversammlung am Samstag beschäftigen muß.

Die Abspaltung des Regenbogens, das provokante Papier der bündnisgrünen Jung-Realos, der rot-grüne Dauerstreit in Bonn – das sind die Zutaten, die eine Krise ausmachen. „Wir sind ziemlich durchgerüttelt worden“, sagt Vorstandssprecher Peter Schaar. Schmidt legt nach: „Die Partei weiß überhaupt noch nicht, wie Regieren geht.“ Als Vorstandssprecherin Kordula Leites davon spricht, daß trotzdem „kein Grund zur Depression“ besteht, erscheint das Klaus Kronberg vom Kreisverband Mitte wie „das Zurechtrücken der Deckstühle auf der Titanic“.

Das Papier der Jung-Grünen und die Gegenantwort aus der Linken, die die Partei vorige Woche beschäftigten, werden von den meisten Hamburger Grünen rigoros abgestraft. „Der Gemüsebauer GAL soll zum Rinderzüchter FDP werden, das geht nicht“, sagt Leites. Für Schmidt sind die Papiere nur „hochgradig peinlich“, und Fraktionschefin Antje Möller sagt: „Diese Papiere haben nichts mit Bonn und Hamburg zu tun.“ Da hat der 21jährige Daniel Eiduzzis (Kreisverband Altona), der als einziger Hamburger das Papier der Jung-Grünen mitunterzeichnet hat, einen schweren Stand. „Wir wollten damit lediglich den Alt-Grünen auf die Füße treten, damit die aufwachen.“ Eigentlich habe man „nur einen Diskussionsprozeß in Gang setzen“ wollen, geht er in die Defensive.

Rot-Grün in Hamburg: zukunftsfähig oder Auslaufmodell. Die Frage, die Antje Möller stellt, entscheidet sich auch am gegenwärtigen Konflikt um die Abschiebepolitik des Innensenators. Darüber sind sich die Mitglieder klar. „Es hat in der Ausländerpolitik unter Rot-Grün tatsächliche Verschlechterungen gegeben“, stellt Schaar fest. Es sei nicht hinzunehmen, daß Menschen abgeschoben werden, die als selbstmordgefährdet gelten. So weit, so einig. Als Willfried Maier, der Senator für Stadtentwicklung, sich zu Wort meldet, ist es mit der Einigkeit aber schon wieder aus. Er versucht einen Widerspruch aufzuzeigen, daß man nicht „radikal die Grenzen für Zuwanderung öffnen“ und gleichzeitig die sozialen Standards aufrechterhalten könne . „Wir können nicht die Gutmenschen sein, die allen alles versprechen.“ Nicht nur Leites und die frühere grüne Bundestagsabgeordnete Amke Dietert-Scheuer zeigen sich irritiert. „Hier wird die perfide Abschiebepraxis des Innensenators verknüpft mit dem Thema Zuwanderung“, kritisiert Dietert-Scheuer. Maier kontert: „Die Wirklichkeit muß man durch Hingucken erfahren, nicht durch allgemeine Definitionen.“

Am Ende der Versammlung sagt ein langjähriges Mitglied: „In drei Jahren wird es die Partei nicht mehr geben.“ Er meint das ganz ernst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen