piwik no script img

Frau Tuczeks Teilerfolg

■ Bremer Tierfriedhof kann kommen, nur Platz, Geld und Kontrollbehörde fehlen noch

In gebildeten und aufgeklärten Kreisen gilt es als ausgemachte Sache, daß sich lächerlich macht, wer zugibt, ein Tier zu lieben. Unmöglich aber macht sich, wer den Verlust eines geliebten Tieres betrauert. Wer darüber hinaus noch erklärtermaßen Wert darauf legt, den leblosen Körper seines Lieblings einigermaßen würdevoll unter die Erde zu bringen, muß fortan mit einem Image zwischen Sodomist und Halbidiot leben. Komischerweise gibt es aber viele Leute, die bei Ableben ihres Tieres sehr traurig sind und wenigstens irgendeine Art von Begräbnis wünschen. Der Tierschutzverein weiß ein Lied davon zu singen – trauernde Hinterbliebene wenden sich zu gern an ihn.

Tierevergraben im Garten oder im Wald sind bei Strafandrohung untersagt. Legal waren bis jetzt der Transport über die Landesgrenze, z.B. zum Tierfriedhof Oyten oder die Inanspruchnahme eines Tierbestatters, der zum Beispiel für individuelle Einäscherung in Holland sorgte. Ansonsten schrieb eine bremische Verordnung die geordnete Entsorgung in einer Tierkörperbeseitigungsanlage vor – ein schrecklicher Gedanke für Herrchen und Frauchen. Deren Anliegen hat unerschrocken Karin Tuczek zu ihrer Sache gemacht. Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete kämpft seit Jahren und ohne Rücksicht auf ihr Image für einen Bremer Tierfriedhof. Mit Erfolg: Nachdem schon im letzten Jahr das Parlament einstimmig für eine Änderung der Rechtsverordnung votierte, hat jetzt die Gesundheitsdeputation eine neue Verordnung verabschiedet. Nun ist die Bahn frei für einen Bremer Tierfriedhof.

Wer vermutet, daß Frau Tuczeks Engagement auch eine biographische Komponente hat, liegt nicht ganz daneben. Sie lebte lange mit einer Katze zusammen, die schließlich an einer Art Leukämie erkrankte. Zwei Jahre lang pflegte sie das Tier. Als die Katze tot war, war ein Familienmitglied tot, das nicht zu Seife oder Schuhputzcreme verarbeitet werden sollte. Frau Tuczek fand schließlich eine hier nicht näher zu diskutierende, würdevolle Lösung. Andere Tierbesitzer werden es vielleicht bald leichter haben.

Vielleicht. Denn noch gibt es weder den Platz für einen Tierfriedhof noch Geld noch eine zuständige Behörde noch einen Haushaltstitel. Nur ein Betreiber bietet sich schon an: der Bremer Tierschutzverein. Zusammen mit einer Initiative, die ein Tierkrematorium betreiben möchte, würde man am liebsten einen Tierfriedhof unweit des Tierheims an der Hemmstraße anlegen. Doch ein geeigneter Platz, der weder den Natur- noch den Wasserschutz berührt, ist nicht leicht zu finden. Der finanzielle Aspekt des Betriebs einer solchen Anlage wäre dagegen das kleinere Problem: Durch Bestattungs- und Friedhofsgebühren würde sich so etwas womöglich sogar rechnen.

Und wenn dereinst ein Mitglied der gebildeten und aufgeklärten Kreise – in der einen Hand eine Zigarrenkiste mit dem Hamster Gulliver, an der anderen das weinende Kind – den ersten Bremer Tierfriedhof betritt und um anonyme Urnenbestattung bittet – dann wird dieses Mitglied lernen, daß Liebe blind ist, fällt, wohin sie will und selbst noch einen toten Guppy meinen kann. BuS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen