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Halali der Herrenmännchen

■ Das Magazin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist tot. Doch in uns lebt es weiter. Ein Nachruf, gleichsam ein Zukunftsausblick

„Niemand ist eine Insel“, wußte der deutsche Dichter Johannes Mario Simmel. Spiegel-Redakteure wissen sogar noch mehr: „Die Insel der Belesenheit wird fehlen“, jammerte einer von ihnen – und meinte mit dieser „Insel“ Johannes Gross, das Herrenmännchen vom eingestellten FAZ-Magazin. Dort veröffentlichte Gross regelmäßig sein „Notizbuch“, um der Welt mitzuteilen, was für große Leute er kenne und was für schwere Bücher er hin und wieder lese. Durchtränkt war die Sammlung prahlerischer Anekdoten von dem Ehrgeiz, sein, wie Gross das nennt, „liebes Deutschland“ per quasivatikanisches Dekret auf den Zustand vor 1945 zurückzuwuchten, mitten hinein in die von Gross ausgerufene „Berliner Republik“ also. Gross, die Mottenkugel der Reaktion, schaffte das mit viel Nachbarschaftshilfe auch, doch beim Ernten der Früchte agierte er, wie schon in seiner Bullterrier-Talkshow „Tacheles“, ohne Fortune. So kann es einem ergehen, der schreibt, als trüge er Schaftstiefel bis zum Hals.

Als aber ratzfatz Schluß war mit der Kolumne des ehrgeizigen Herrenreiters, erschien sie, im Glanz der Gewesenheit, zumindest dem Spiegel als „Kandelaber der Bildung“; der Kandelaberer Gross wurde zum „Glosseur“, zum „umtriebigen Diaristen“, mit dem sich „in die große feine Welt reisen ließ, in Golfhotels, wo einzig das Summen der Caddie-Wagen und das Klingen von Eis im Cocktailglas die Ruhe stören“. So stellen sie sich an der Brandstwiete ein dolles Leben vor.

Wichtiger als der Bückling vor Gross war dem Spiegel der Tritt ans Schienbein eines Kollegen: „Man muß schon Roger Willemsen heißen, um die Gross-Bonmots zu tadeln.“ Tatsächlich hat Willemsen die gesammelten Kleinigkeiten des Johannes Gross ebenso analysiert wie den ganzen Mann: Bei Gross handele es sich um eine „publizistische Viertonhupe“, die allenfalls „mit Kondom denken und schreiben“ könne und dabei „zopfigstes Geheimratsdeutsch“ bevorzuge. Veröffentlicht wurde Willemsens sauberer Verriß 1990 im Spiegel – das aber verschweigt der anonyme Spiegel-Schreiber von heute geflissentlich. Diese Hamburger Jungs haben einfach keinen Stil.

Wie auch? „Stil“, zumal „den guten“, hatte ja die letzten 20 Jahre das FAZ-Magazin für sich gepachtet. „In diesem Magazin, das sich dem guten Stil gewidmet hatte“, flocht man sich im letzten Editorial des FAZ-Mags das Kranzgebinde – und hält solch peinliches Selbstlob offenbar für guten Stil. Auch die Idee, ein Ressort mit dem doppelt verhauenswürdigen Namen „Lifestyle Boulevard“ einzurichten und dort ausgerechnet eine Sprachkritik-Kolumne von Wolfgang Steuhl mit dem wortspielhölle- und höchststrafetauglichen Titel „Der Life-Steuhl“ zu versehen, wurde im FAZ-Mag Wirklichkeit. Wie auch die bevorzugt um Dessous herumglitschenden, halbsteifen Texte des früheren Wormser Französischlehrers Bernd Fritz, der zum Abschied über einen „Duftzauberstab vom Modemagier Kenzo“, plauderte, mit dessen Hilfe sich „die Dame“ parfümierte Wörter auf den Körper schreibe, „deren Bedeutung der Herr dann abriechen kann“. Die Aussicht, auf so etwas verzichten zu sollen, wird manchen verbittern.

Auch aus der Titelgeschichte des letzten FAZ-Mags wehte noch einmal der strenge Geruch des Herrn heraus. Michael Klett, eher Verlegererbe denn Verleger, schrieb seine „Erinnerungen und Ansichten über das Schmauchen feiner Zigarren“ und preßte dem Thema manche Schmockerei ab: „die Parforcejagd mit den Nüstern“ etwa, und „die im Wachtraum bewegte Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen“. So klingt das, wenn einer fürs Rauchen erfreulich viel Geld ausgibt, für den Geist aber nur ein paar Groschen übrig hat.

Selbstverständlich schrieb Klett auch über kubanische Zigarren. Das ging dann so: „Gesicherte Marken, versprochene Qualität sind in kommunistischer Wirtschaft nicht möglich, und dies erst recht nicht, wenn der verbohrte Diktator, der über die flinken braunen Hände herrscht, gegen den freien Welthandel wettert, als das beste Prinzip für Leistung und Qualität.“ Daß „der verbohrte Diktator“ ganz modisch nach einem weiteren Milošvic vulgo Hitler klingt – egal. Wenn einer, der die Werke Ernst Jüngers verlegt, nicht einsehen will, daß er schwerlich dieselben Interessen hat wie einer, der Kuba zu regieren versucht – geschenkt. Aber die „flinken braunen Hände“: Ach, gnädiger Herr, was san S' wieder apart heit!

Auf Kletts Herrenmenschelei setzte im finalen FAZ-Mag das gnubbelige Maskottchen des Heftchens noch eins drauf: Im „Notizbuch Johannes Gross. Letzte Folge. Letztes Stück“, Überschrift: „Wie die Balten betteln“, erhebt sich die alte Klage übers Personal: Es spurt nicht mehr heutzutage. „Wer ein Taxi benutzt, wird über die soziale Ordnung belehrt. Der Fahrer muß nicht fragen, ob er seine Radiomusik weiter dröhnen lassen dürfe; der Fahrgast ist es, der um Ruhe bitten muß.“ Sicher, Taxifahrer können – auch vermittels ihrer Musik – extrem nervig sein; der Herrenzwerg Gross aber moniert bloß, daß er aufsässige Dienstboten nicht mehr mit der Reitpeitsche über das belehren darf, was er sich unter „sozialer Ordnung“ vorstellt: Hasso, faß!

Und für so etwas soll kein Platz mehr sein in der deutschen Kultur- und Presselandschaft? Das ist ein Skandal! Das darf nicht sein! Und wird auch nicht sein: Das FAZ-Magazin lebt weiter! Täglich auf der Wahrheit-Seite. Hier. Und wenn ich es selber schreiben muß. Wiglaf Droste

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