: Die erste Ohrfeige für den Premier
■ Mit seiner Nominierung für das Amt des Parlamentsvorsitzenden hat Avraham Burg Israels neuen Ministerpräsidenten brüskiert
Berlin (taz) – Einen Ministersessel dürfte Avraham Burg quasi als Familienerbe angesehen haben. Jahrzehntelang war sein Vater, der aus Deutschland stammt, Minister der Nationalreligiösen Partei, zumeist in Koalition mit der Arbeitspartei. Sohn Avraham hatte sich zuletzt als Chef der Jewish Agency einen Namen gemacht und durchaus Ansehen erworben. Doch als Minister wollte Parteichef Barak die Ambitionen seines innerparteilichen Rivalen nicht fördern. Und auch für das Amt des Knessetsprechers hatte Barak nicht den 51jährigen Burg, sondern den wesentlich jüngeren und unbekannten, aber ergebenen Shalom Simhon vorgesehen. Doch der fiel bei der Kandidatennominierung für die Knessetfraktion und das Zentralkomitee durch. Mit 74 gegen 57 Stimmen wurde Burg auf den Schild gehoben.
Die erste deutliche Ohrfeige für Barak war perfekt, auch wenn dieser die Wahl natürlich als Beweis der „demokratischen Kraft“ seiner Partei ausgab. Mit dieser Nominierung machte sich der innerparteiliche Unmut erstmals Luft. Die Kritik über die „diktatorische Amtsführung“ des Ex-Generals hatte sich in den vergangenen Wochen gehäuft. Und die einsamen, manchmal unverstandenen Entscheidungen Baraks bei der Besetzung der Ministersessel hatte für viel Mißmut in der Partei gesorgt.
Die Tageszeitung Haaretz hatte Barak sogar vorgeworfen, sich selbst für die wichtigsten Regierungsämter zu „klonen“, anstatt sie mit kompetenten Leuten aus den eigenen Reihen zu besetzen. Besonders erbost waren die Frauen darüber, daß Barak ihnen nur ein Regierungsamt angeboten hatte. Die gestrige Kritik der Medien in Israel richtete sich auch gegen Baraks Absicht, Ministerämter „inflationär“ verteilen zu wollen und statt der 18 gesetzlich festgelegten Ministerien acht weitere einzurichten, um Wahlversprechen gegenüber seinen Partnern im Bündnis „Ein Israel“ einlösen zu können. Ob Barak die Ohrfeige aus seiner eigenen Partei gegen seinen autoritären Führungsstil als echte Warnung annimmt, steht freilich noch dahin. gb
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