: Baraks Männerclub
Israels Regierung läßt Frauen und Araber außen vor, und auf wichtigen Posten sitzen blasse Kandidaten ■ Aus Jerusalem Susanne Knaul
Nur halb besetzt waren die Plätze im Cinerama-Theater, als Ehud Barak vor dem Parteitag seine Ministerwahl befürwortet haben wollte. Wie unzufrieden die Mitglieder von Baraks Arbeitspartei mit der neuen Führung sind, zeigte die Reaktion auf die Wahl von Abraham Burg zum Knessetvorsitzenden. Kurz zuvor hatte das Parteibüro gegen Baraks Favoriten für dieses Amt, Schalom Simchon, gestimmt.
Unter den Mitgliedern der stärksten Knessetpartei macht sich Unmut breit. „Über die Hälfte der Bevölkerung ist heute öffentlich erniedrigt worden“, kommentierte Jael Dajan, Tochter des legendären Verteidigungsministers mit der Augenklappe, Mosche Dajan. Gemeint sind mit dieser Äußerung die Frauen. Jael Dajan gehört zu denen, die vergeblich auf ein Ministeramt hofften. „51 Prozent der Bevölkerung und nur 3 Prozent in der Regierung“, stand auf Plakaten der weiblichen Demonstranten, die sich mit Jael Dajan identifizierten. Von 32 Minister- und Vizeministerposten ging nur ein einziger an eine Frau. „In Pakistan und Nordafrika sieht es besser aus für die Frauen“, meinte Dajan bitter darüber, daß die gesellschaftliche Stellung der Frau, Lohnangleichung oder Themen wie Gewalt gegen Frauen in den kommenden vier Jahren „wieder auf der Strekke bleiben werden“.
Barak gab zu, sein Wahlversprechen in puncto Frauen genausowenig eingehalten zu haben wie die Zusage, Araber in sein Kabinett aufzunehmen. „Das soll nicht so bleiben“, versprach er. Doch die Frage drängt sich auf, warum es jetzt so ist. In quälend langwierigen Ausführungen erzählte der Fraktionsvorsitzende Raanan Cohen dem Parteitag, daß Barak ihm zwei Vizeministerposten zur Auswahl gestellt habe, er es indes vorziehe, weiterhin nur Fraktionsvorsitzender zu bleiben. Mindestens zwei Vizeministerposten müßten demnach noch frei sein.
Zu den Frustrierten in der Arbeitspartei gehören aber nicht nur die, die überhaupt keine Posten bekommen haben, sondern zum Beispiel Schimon Peres, der zwar Minister wird, derzeit jedoch mit noch völlig ungeklärten Kompetenzen. „Minister für regionale Entwicklung“ nennt sich sein neues Amt. Peres wäre zweifellos lieber Chef im Außenamt geworden. Da sitzt jedoch schon David Levy, Bündnispartner Ehud Baraks. Auch Michael Melchior, Chef der zweiten Bündnispartei Meimad, wird Minister, allerdings ohne Aufgabenbereich. „Wer ist Michael Melchior“, fragte ein Parteiaktivist fassungslos über die Amtsvergabe an einen politisch völlig einflußlosen Mann.
Der in den Reihen der Arbeitspartei zu hörende Verdacht, daß nicht Kompetenzen, sondern machtstrategische Überlegungen für Baraks Kabinettsformation den Ausschlag gaben, drängt sich vor allem bei der Ernennung von Professor Schlomo Ben-Ami zum Minister für innere Sicherheit auf. „Was hat Ben-Ami mit der Polizei zu tun“, schimpfte ein Aktivist über die verpaßte Chance echter sozialer Reformen. Die meisten Sozialdemokraten hätten Ben-Ami auf dem Stuhl des Finanzministers sehen wollen, wo er eine Erhöhung des Mindestlohns, Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut und vor allem mehr Kontrolle über Wirtschaftsunternehmen hätte verfolgen wollen. Barak sei bei seiner Wahl des Finanzministers Beiga Schochat, der schon unter Rabin in diesem Amt saß, von „seinen Freunden aus der Wirtschaft“ beeinflußt gewesen, hieß es.
Unter Finanzminister Beiga Schochat wuchs die Kluft zwischen arm und reich, und so wird es auch künftig sein. Immerhin ging das Amt des Industrie- und Handelsministers an einen der letzten Sozialisten im Kabinett, den Meretz-Politiker Ran Cohen. Auf ihn wartet eine Menge Arbeit. Die einzig erkennbare Reform, die sein Vorgänger in diesem Amt – Nathan Scharansky von der Immigrantenpartei – in den vergangenen drei Jahren durchgesetzt hat, ist die Preisauszeichnung von Lebensmitteln in den Supermärkten des Landes.
So ernüchternd das neue Kabinett für die israelischen Bürger sein muß, die sich innenpolitische Veränderungen gewünscht hatten, so erleichtert müssen die Palästinenser sein. Zwar werden insgesamt fünf Generäle Minister sein, wenn Barak in zwei Wochen das Kabinett von 18 auf 24 Posten aufstockt, aber das muß in Israel nichts bedeuten. Auch Friedensnobelpreisträger Jitzhak Rabin war einst Chef der Armee.
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