: Das Fort Knox der Bundesrepublik
Die Bundesdruckerei feiert ihren 120. Geburtstag ab heute mit einer Ausstellung über ihr Innenleben. Erst druckte sie Telefonbücher, Graphiken folgten, dann wurden Banknoten produziert. Zukünftig soll durch die Fingerspitzen der Angestellten auch der Euro flutschen ■ Von Rolf Lautenschläger
Das Wertvollste in der Bundesdruckerei sind die Finger der Frauen. Weil diese mehr Feingefühl in den Fingerkuppen haben sollen als Männer, wandert jede neue Banknote, jeder Schein oder Druckbogen, bevor er im Tresor verschlossen wird, durch die Hände der Angestellten. Nur ihnen traut man zu, daß sie die Echtheit der Noten spüren, das spezielle Knistern der Scheine erfühlen können. Die Geldfabrik in Berlin-Kreuzberg ist der Arbeitsplatz der Frauen, die Endkontrolle in der Wertdruckhalle seit Generationen ihr Metier.
Das Geheimnis um die Fingerfertigkeit der Geldzählerinnen schützt die Bundesdruckerei seit 120 Jahren ebenso wie die Herstellung von Wertdrucken, Ausweisen, Pässen, Kunstdrucken, Briefmarken oder Aktien. Wie Geld gemacht wird, ist Staatsgeheimnis, Produzenten und Kontrolleure sind Geheimnisträger. Wer von den 2.500 Angestellten in das Fort Knox der Bundesrepublik hinein oder aus ihm heraus möchte, braucht einen guten Leumund, einen Ausweis und muß durch Sicherheitschecks. Elektronische Kontrollen funktionieren ebenso perfekt wie die persönlichen Durchleuchtungen.
Um so erstaunlicher ist, daß die neuen Produktionsgebäude der Bundesdruckerei aus dem Jahre 1997, die an der Rückseite des Altbaues entstanden, sich in ihrer Architektursprache nicht abschotten, sondern öffnen. Direkte Einblicke in das Geheimnis des Geldmachens sind nicht möglich. Aber die neuen Fassaden sind aus Glas, das kleine Turmgebäude für die Graphiker und Künstler sind ebenso transparent. Und selbst das über hundert Meter lange Tresorgebäude, das aus der Mitte herausragt, ist demonstrativ ins Bild gesetzt. Die Schatzkammer wurde nicht in die Erde versenkt, sondern zu einem Hochtresor entwickelt.
Daß dies nicht immer so war, sondern der Standort im Schatten des Springer-Hochhauses fast 120 Jahre lang einem Hochsicherheitstrakt glich, macht eine Ausstellung deutlich, die zum Jubiläum im Foyer der neuen Wertdruckhalle zu sehen ist. Gegründet wurde die Reichsdruckerei am 6. Juli 1879 aus einem Zusammenschluß der Deckerschen Oberhofbuchdrukkerei und der Königlich-Preußischen Staatsdruckerei. Ziel der Fusion, die der Generalpostmeister Heinrich Stephan befördert hatte, war die zentrale Produktion staatlicher Druckaufträge, die zudem geheim und jenseits privatwirtschaftlicher Unwägbarkeiten vonstatten gehen sollte.
Stephans Staatsdruckerei stellte in der Folge nicht nur das erste „Verzeichnis von Fernsprecheinrichtungen“, das Telefonbuch, her, sondern auch Gesetzesblätter und Patentschriften. 1882 wurde an der Oranienstraßestraße mit dem Bau des neuen Druckhauses begonnen, und die Reichsdruckerei erhielt das Privileg, erstmals Banknoten, die Reichskassenscheine, zu drukken und auszugeben.
Kurz darauf entstanden die Einrichtungen der renommierten Graphikabteilung: vom Kupferstich bis zum Lichtdruck. Um 1885 kamen Abteilungen für die Wasserzeichen-Formenmacherei, für die Schriftgießerei, Graviatur und den Stempelschnitt hinzu. Erstmals hinter Gitterzäunen und scharf bewacht, entwickelte sich die kleine Stadt in der Stadt noch vor dem Ersten Weltkrieg, als der „Dauerrenner“ der Deutschen Reichspost, die Germaniamarken, 11.000 Patentschriften und 650.000 Druckbögen hergestellt wurden. Einen Höhepunkt erlebte die Druckerei durch die Inflation 1922, als der Banknotenbedarf täglich weiter in die Höhe schnellte. Allein 8.624 Angestellte waren mit dem Notendruck beschäftigt. Über drei Milliarden Scheine wurden in jenem Jahr ausgeliefert.
Der Zweite Weltkrieg zerstörte die Druckerei nicht nur fast vollständig, auch die Produktion von Wertdrucken wurde reglementiert, der Name Reichsdruckerei mußte aufgegeben werden, und die Herstellung von Marken war zunächst dem Ostberliner Magistrat unterstellt. Als 1949 die Hauptverwaltung des Post- und Fernmeldewesens in Frankfurt am Main auch noch die Staatsdruckerei der Bundesrepublik übernommen hatte, fiel der Standort in Kreuzberg in den Dornröschenschlaf.
Neuen Aufschwung erhielt die umgetaufte Bundesdruckerei wieder 1957. Ihr Hauptsitz übersiedelte nach Berlin, der Bau des bestehenden Verwaltungsgebäudes an der Oranienstraße begonnen. Banknotenserien, das Telefonbuch Berlins mit Auflagen von 930.000 Exemplaren und die Umstellungen der Produktionen von Reisepässen und Personalausweisen sowie die Herstellung von Briefmarken, machten die sogenannte Geldfabrik zum größten Arbeitgeber Kreuzbergs.
Der Beschluß der Bundesregierung 1994, die Druckerei in eine Gesellschaft privaten Rechts umzuwandeln, brachte nicht nur den Neubau, sondern auch volle Auftragsbücher: Die Umstellung der Produktion von Personaldokumenten auf ein digitales Verfahren brachte einen Umsatz von 800 Millionen Mark 1998, der Status der GmbH ließ erstmals zu, daß auch ausländische Pässe, Wertmarken und nicht zuletzt ausländisches Geld gedruckt werden konnten. Der „Konzern der Hochtechnologie“, wie der Vorstand heute das Unternehmen betitelt, hat nun den dicksten Fisch an der Angel: die Herstellung des Euro. Und der geht, ganz traditionell und trotz High-Tech, auch durch die Hände mit Fingerspitzengefühl.
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