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Schule der Rebellen

■ Nicht für die Schule, für den undemokratischen Berufsalltag lernen wir: SchülerInnen diskutieren im Rathaus Mitbestimmung Von Patricia Faller

Schülerratssitzungen und Schülerdemos, die deshalb so beliebt sind, weil der Unterricht ausfällt. SchulsprecherInnen, die sich als Kasper vom Dienst und Party-MacherInnen mißbraucht fühlen: Ein düsteres Bild von Schülerdemokratie wurde am Dienstag abend im Rathaus gezeichnet.

Wo sonst Sachverständige zu politischen Themen allerlei Wichtiges und Unwichtiges von sich geben, hatten sich Experten der anderen Art versammelt: SchulsprecherInnen von Hamburger Schulen. Die Schülerkammer und die GAL-Bürgerschaftsfraktion hatten geladen, und rund 30 VertreterInnen waren gekommen. Das Thema: „Schuldemokratie gleich Schülerdemokratie“? Denn um mehr Beteiligung der SchülerInnen an der Gestaltung von Schule geht es bei den Plänen zum neuen Hamburger Schul- und Schulverfassungsgesetz.

Ihren MitschülerInnen stellten die SchulsprecherInnen ein schlechtes Zeugnis für Engagement und Mitverantwortung aus: Die Masse ist desinteressiert und will nur ihren Spaß haben. Fast schon waren die Jugendlichen in der Null-Bock-Schublade verschwunden, als die Schulsprecher des Goethe-Gymnasiums Markus und Matthias antraten, um die Ehre ihrer AltersgenossInnen zu retten: Was denn gegen ein bißchen Albernheit in den Schülerratssitzungen einzuwenden sei, wandten sie sich wider den Bierernst. „Schülervertretung soll doch auch Spaß machen“, erklärte Markus. An den SchülerInnen liege es jedenfalls nicht, wenn sie sich nicht engagierten, sondern an den Steinen, die ihnen in den Weg gelegt würden. Und sein Mitschulsprecher Matthias erzählte die Geschichte vom Sportturnier, das die SchülerInnen organisieren wollten, und das am Hausmeister scheiterte, weil dieser „Besseres“ zu tun hatte, als sich um ihre Belange zu kümmern. Viele seien einfach frustriert, weil sie nichts erreichen können. Beide forderten „mehr Macht“ für die SchülerInnen. Schließlich bildeten sie die Mehrheit an Schulen.

„Die Schüler wollen doch nicht mehr Rechte“, schleuderten die Schulsprecher des Gymnasiums Oberalster und der Peter-Petersen Gesamtschule den „Rebellen“ entgegen und entfachten eine Debatte, an der so mancher Lehrer seine wahre Freude gehabt hätte. Sie wollten keine Rechte bei der Lehrplangestaltung oder bei der Beschaffung neuer Lehrmittel. Da hätten die Lehrer doch den besseren Überblick. Mehr Mitbestimmung verkompliziere doch alles. „Würdest du dir zutrauen, über den Schulhaushalt zu bestimmen? Was meinst du um wieviel Geld es da geht?“, fragte Jöris von der Peter-Petersen-Schule. Bei so viel altklugem Gerede ging Markus vom Goethe-Gymnasium dann doch der Hut hoch: „Dann setzen wir das Wahlalter auf 40 Jahre, dann hat jeder genügend Lebenserfahrung“, ereiferte sich der Pennäler. Er hätte jedenfalls einen besser organisierten Stundenplan, wenn der Schulleiter einen Schüler zu Rate gezogen hätte, der Ahnung von Computern hat.

Auch bei den Zeugniskonferenzen wollten viele SchulsprecherInnen lieber keine SchülerInnen dabeihaben. Von wegen Anwalt der SchülerInnen – sie malten sich vielmehr das Getratsche an der Schule aus. Und Henning vom Gymnasium Oberalster stellte die Gewissensfrage an alle Andersdenkenden: „Wer von euch hat nicht schon einmal die ihm anvertrauten Geheimnisse eines Freundes weitergeplaudert?“ Verschwiegenheit traute er nur den LehrerInnen zu, die quasi durch ihren Beamtenstatus dazu verpflichtet seien.

„Das ist ja merkwürdig, wie hier Schülerrechte von Schülern beschnitten werden“, wurde es Markus vom Goethe-Gymnasium dann doch zu bunt. Diplomatischer faßte Kurt Edler, selbst Lehrer und schulpolitischer Sprecher der GAL, die Diskussion zusammen: „Mich beeindruckt euer Pragmatismus und eure Realitätsbezogenheit.“

Nach vierstündiger mehr oder weniger hitziger Debatte fand dann Alexandra von der Berufsschule H19 das versöhnliche Schlußwort: „Gemeinschaftssinn ist das Wichtigste, was wir erreichen müssen.“ Alle sollten Spaß haben an der Schule, dann käme das Engagement schon von alleine.

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