: „Auch Rechte haben Rechte“
Polizei schützt Neonazi-Aufmarsch und verbietet antifaschistischen Protest. Klage vorm Verwaltungsgericht ■ Von Peter Müller und Andreas Speit
Bergedorf wird zur Festung. Über 6.000 PolizistInnen aus dem gesamten Bundesgebiet werden am Samstag den Neonazi-Aufmarsch zum Ende der Wehrmachtsausstellung in Bergedorf und in der City schützen. Das erläuterte gestern Hamburgs Polizeipräsident Justus Woydt. Alle Gegendemonstrationen wurden dagegen von der Polizei verboten. Nur eine Kundgebung auf dem Gänsemarkt (12 Uhr) und ein Protestzug durch Altona sind erlaubt.
Die Neonazis hatten Anfang der Woche ihren Aufmarsch von der Innenstadt auf den Bergedorfer Frascati-Platz verlegt. „Wir werden diese Demonstration schützen, ob es uns freut oder nicht“, kündigte Woydt an. „Auch Rechte haben Rechte“, beschrieb Polizeiinspekteur Wolfgang Sielaff die Lage. Ein Aufeinandertreffen rechter und linker Gruppen werde auf jeden Fall verhindert.
Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) warnte in diesem Zusammenhang vor einem „Mißbrauch des Demonstrationsrechts“. Zwar gebe es das Recht auf Meinungsäußerung auch im Rahmen von Demonstrationen, jede gewalttätige Form des Protestes stelle jedoch einen Mißbrauch dieses Grundrechtes dar. Deshalb, so Runde, „rufe ich zu unbedingter Besonnenheit und Gewaltfreiheit auf“.
Der Bürgerschaftsabgeordnete Lutz Jobs (Regenbogen), der eine Demo des Antifa-Bündnisses vor dem Bergedorfer Bahnhof angemeldet hatte, ist ob des polizeilichen Verbots empört: „Damit haben die uns Bergedorfern den Protest verboten.“ Jobs hat vor dem Verwaltungsgericht Klage eingereicht.
Auch die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) angemeldete Kundgebung im Bergedorfer Schloßpark wurde nicht erlaubt. Nun wird der DGB die Protestveranstaltung erneut anmelden. „Wir werden alles tun“, so erklärte Bergedorfs DGB-Chef Dieter Born, „um die Kundgebung in Bergedorf durchzusetzen und den Neonazis Flagge zu zeigen.“
Gegen das Demonstrationsverbot in der Hamburger Innenstadt wird ebenfalls geklagt. Mit Entscheidungen des Verwaltungsgerichts ist heute zu rechnen. Die Polizei hatte den Protest mit der Begründung verboten, von den Teilnehmern werde „Gewalt“ ausgehen. Immerhin werde im Internet dazu aufgerufen, den „Naziaufmarsch mit allen Mitteln zu verhindern.“
Das Nationale Infotelefon, betrieben von den beiden Neonazis und Brüdern Glenn und André Goertz, frohlockt derweil über den Rechtsstreit. Die „Genehmigung“ des rechten Marsches bringe eine „neue Qualität“ in die Mobilisierung und habe die Antifa in „Bedrängnis“ gebracht. Über die bundesweiten Infotelefefone der „Freien Nationalisten“ um die Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch und Thomas Wulff wird indes weiter die Devise ausgegeben, nicht nach Bergedorf zu fahren, sondern vor den Toren Hamburgs auf weitere Befehle zu warten.
Unterdessen haben militante Antifas in einem Schreiben bekannt, sie hätten das Haus der „Burschenschaft Germania“ beschädigt. Die Burschenschaft hält enge Verbindungen zu Ex-FAP-Chef André Goertz. Außerdem bekannten sie, Fensterscheiben der Privatwohnung von Gertrude Herr eingeworfen zu haben. Herr war während des NS-Regimes Führerin des „Bunds deutscher Mädel“ (BDM).
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