Abschied der Armutsbekämpfer

■ Filz statt Bürgerbeteiligung: Inis verlassen das Sozialprogramm des Senats für St. Pauli-Nord / SPD und Steb: „Selber schuld“ Von Heike Haarhoff

Ein Armutszeugnis für das Armutsbekämpfungsprogramm: Die VertreterInnen mehrerer Stadtteilinitiativen aus St. Pauli – darunter die Handwerksgenossenschaft Lerchenhof, Stiftung Freiraum e.V., Friedenskirche, Beschäftigungsinitiative Aizan, „Moin St. Pauli“ und Deutsch-Ausländische Begegnungsstätte (DAB) – kündigen ihre Mitarbeit im Beschäftigungsverbund St. Pauli-Nord auf. „Wir sind nicht länger bereit, den SPD-Filz zu tolerieren“, begründete Friedenskirchen-Pastor Christian Arndt gestern den Entschluß. Bezirksamt und Stadtentwicklungsbehörde forderte er auf, in St. Pauli-Nord, einem der acht Hamburger „Pilotgebiete“ des Armutsbekämpfungsprogramms, den seit März 1995 tätigen Projektentwickler „Beschäftigung und Bildung e.V.“ (BuB) durch einen bürgerbeteiligungsfreundlicheren zu ersetzen.

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Nicht-organisierte AnwohnerInnen würden an den Projekt-Entscheidungen nicht beteiligt. In den öffentlichen Sitzungen des Beschäftigungsverbunds – er wurde nach Angaben von BuB-Projektleiterin Ulrike Zahn-Weber eingerichtet, um „die Kommunikation im Stadtteil zu fördern und Voten einzuholen“ – debattierten in trauter Runde SPD-Bezirksgrößen. Dieses „Delegiertenprinzip“ widerspreche eindeutig den Senats-Vorgaben, die ausdrücklich stärkere Beteiligungsmöglichkeiten vorsähen. „Es gipfelte darin, daß die Bezirksversammlung vergangene Woche dem Kerngebietsausschuß und dem Bezirksamtsleiter die absolute Kontrolle über die Projekt-Vergabe erteilte“, schimpft Michael Herrmann vom Lerchenhof. Laut Beschluß soll der Bezirksamtsleiter künftig „keine Maßnahme unterstützen, die nicht auch die Zustimmung des Kerngebietsausschusses gefunden hat.“ Dessen SPD-Mitglieder sind aber identisch mit denen aus dem Beschäftigungsverbund.

Sämtliche Vorschläge der Initiativen – wie die Förderung der Stadtteilzeitung Moin St. Pauli mit 28.000 Mark, der Spielzeug-Kauf für die Deutsch-Ausländische Begegnungsstätte, die Einrichtung einer Tauschbörse, ein „menschenwürdiges Sozialamt auf St. Pauli“ oder die Umgestaltung von Häusern zu Obdachlosenwohnungen – seien abgebügelt oder finanziell so schlecht ausgestattet worden, daß eine „vernünftige Arbeit ausgeschlossen ist“, klagt Arndt. Dafür habe der SPD-nahe „Helmuth-Hübener-Förderkreis“ 250.000 Mark allein für die Herrichtung zweier Werkstätten für Jugendliche erhalten: „Bis heute liegt kein Konzept vor, die Maßnahme steht in keiner Relation zu den anderen Vorschlägen.“

SPD-Bezirksfraktions-Vize Mar-kus Schreiber gibt die Schuld an der Misere, die er „bedauert“, den Initiativen, die „von Anfang an bewußt destruktiv an die Sache“ herangegangen seien. Der Kerngebietsausschuß sei unbedingt zu beteiligen, weil Abgeordnete ihre Meinung sagen dürfen müßten.

Auch die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) sieht keinen Grund einzuschreiten: Eine Kündigung des Projektentwicklers sei zwar „grundsätzlich möglich“, komme aber „nicht in Frage, nur weil es ein paar Leuten nicht paßt“, lautet die klare Absage von Sprecher Bernd Meyer. Im übrigen liege die Entscheidung hierüber beim Bezirk: „Alles andere würde dem Dezentralismus widersprechen.“