: Die Beeren sind los
Karens KochKunst – Die Serie der taz hamburg für Genießer. Teil 4: Von Aromabomben und anderen süßen Früchtchen ■ Von Karen Schulz
Welcher sprachliche Wink des Schicksals hat eigentlich den köstlichen Früchtchen, die im Sommer die Märkte bevölkern, eine Bezeichnung verpaßt, die (zumindest in norddeutscher Aussprache) zur Verwechslung mit furchterregenden Tieren einlädt? Bei der Klärung dieser Frage stiftet selbst das Etymologische Wörterbuch des Deutschen eher Verwirrung: Die Beere, eine „fleischige und saftige kleine Frucht“, wird da vom mittelhochdeutschen ber hergeleitet – aber eben dieses ber findet sich auch unter dem Stichwort „Bär“ wieder, als Bezeichnung für die Farbe der Pelztiere. Um also einer Verwechslung vorzubeugen: Hier soll die Rede sein von den aromatischen Früchtchen.
Die Erdbeere verführt als erste im Jahr zum intensiven Naschen – bei Ablauf ihrer Saison hat man sich dann meist so gründlich an ihr überfuttert, daß der Wechsel im Speiseplan willkommen ist: Ab Juni („Johannis“) gibt es die gleichnamigen Aromabömbchen – geschmacklich in jedem Fall würdige Nachfolgerinnen der Erdbeere. Farbig wie geschmacklich ergänzen sie sich prima: Klassisch-sauer die rote, mild die weiße und herb die schwarze Johannisbeere. Besonders gesund durch hohen Vitamin- und Mineralgehalt sind eigentlich alle Beerenfrüchte, doch die schwarze Johannisbeere ist kaum zu toppen. Zum perfekten Marmeladenobst wird sie obendrein durch den hohen Gehalt an Pektin, dem fruchteigenen Geliermittel. Unsere Großmütter haben sie deshalb ohne speziellen Gelierzucker so eingemacht: Je 500 g rote und schwarze Johannisbeeren von den Stielen zupfen und mit 750 g normalem Zucker 10-12 Minuten unter Rühren kochen – dann geliert die Masse von selbst und wird zum absoluten Marmeladenhit.
Besonders lecker sind Beeren vor allem dann, wenn man sie selbst sammelt – ob das an der Güte der Früchte oder am Spaß bei der Schatzsuche liegt, sei dahingestellt. Besonders wilde Brom- und Holunderbeeren findet man beim Spaziergang schnell, sollte man allerdings nicht überall pflücken: Wo viel Industrie oder Verkehr ist, heißt es Finger weg – und es lieber woanders versuchen. Selbst die giftigen Ebereschenbeeren kann man verarbeiten – sie müssen allerdings gekocht werden, damit ihr Giftgehalt zerstört wird. Deshalb sollte man genau nach Rezept arbeiten, um Fehler zu vermeiden.
Ansonsten gilt für die meisten Beeren: Je weniger Verarbeitung, desto besser für Geschmack und Gesundheit. Sonnenwarm vom Strauch sind sie unschlagbar, und auch HygienefanatikerInnen sollten bei ihnen aufs Waschen verzichten, um die Inhaltsstoffe nicht auszulaugen. Dafür sollte man sie umso gründlicher verlesen, damit Raupen und andere unerwünschte Fleischbeilagen nicht ihren Weg in den Magen finden. Denn wer auf Beerenjagd geht, kann durchaus zur vegetarischen Fraktion gehören – schließlich haben sich seit dem Mittelhochdeutschen die Bezeichnungen für die süßen Früchtchen und die brummigen Pelztiere zumindest auf dem Papier voneinander getrennt!
Tolle Rezepte zum Einmachen von wilden wie von „gebändigten“ Beeren gibt's in der Broschüre „Kreative Küche Einmachen“: für drei Mark in Briefmarken beim CMA-Versandservice, Bestellnr. 4740, PF 1111, 33759 Versmold.
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