: Kein Herz steht still
■ Sabine Christiansen verschreckt Bremer Kardiologie-Patienten: Machen Herzschrittmacher zur Jahrtausendwende schlapp? Oder zum 29.2.2000?
Sonntag nacht talkte Sabine Christiansen über die Sicherheit von Herzschrittmachern, die durch den Computerfehler „Y2K“, dem „Jahr 2000 Problem“ schlapp machen könnten. Am Morgen darauf standen die Telefone der Kardiologischen Funktionsabteilung im Bremer Herzzentrum kaum noch still. Besorgte Patienten wollten sich über ihre Lebenserwartung über die Jahrtausendwende hinaus informieren. Vorsorglich schaltet das Krankenhaus Links der Weser jetzt eine Patienten-Hotline.
„Unglaublich was hier los war“, berichtet Schwester Edeltraud Hader am Montag nach Christiansen. Einige Patienten hätten die ganze Nacht nicht geschlafen, weiß sie. Und das Klinkpersonal „kocht vor Wut“ über die Infos der Talkrunde. Eingeladen war ein Informatiker, „der von Herzschrittmachern aber keine Ahnung hat“, kommentiert Edeltraud Hader. „Den Patienten wurde eingeredet, mit welcher Bombe sie leben müssen“, schimpft die Schwester, die den Schrittmacherbereich vor 25 Jahren im Krankenhaus Links der Weser mitaufgebaut hat. Für die in Bremen implantierten Herzschrittmacher und Defibrillatoren kann sie ihre Hand ins Feuer legen: Die kommen von ganz großen Firmen. Vieles aus den Staaten und „die haben ganz, ganz strenge Auflagen, viel strenger als bei uns“.
An die 250 Herzschrittmacher und Defibrillatoren werden in Bremen und Umzu pro Jahr implantiert. Und laut Firmen-Testat sind die Herzhilfen „Jahr 2000“ sicher. Auch die aktuellen Cardio News berichtet: „Die Herzen bleiben nicht stehen“. Herzschrittmacher seien „immun gegen kalendarische Magie.“ Sie hätten keinerlei „Datumsfähigkeiten“.
Schwester Edeltraud wehrt sich gegen den Vorwurf, die Krankenhäuser hätten geschlafen. Das Gegenteil ist der Fall. Seit über einem Jahr gibt es im Krankenhaus Links der Weser eine Arbeitsgruppe von 30 Leuten, „die sich mit dem Jahr 2000 Problem befassen“, berichtet Verwaltungsdirekter Peter Stremmel. „Soweit wir selbst testen können“ werden die Geräte gecheckt. Ansonsten müssen sie sich auf Testate der Firmen verlassen.
Für den Fall aller Fälle stehen vorsorglich Ersatzgeräte zur Verfügung. Schwierigkeiten bereiten Stremmel noch die Beatmungsmaschinen: „Den Beatmungsbeutel kann man per Hand nur ein paar Stunden bedienen.“ Dem Jahr 2000 geht er deshalb mit „mulmigem Gefühl“ entgegen. Nicht nur seine private Sylvesterparty hat er gestrichen. Das Krankenhaus wird mit doppelter Besetzung am Feiertag und nachts arbeiten und zwar vor allem in der Intensivstation, im Herz-Katheter Labor und im Herzschrittmacher Bereich. Im Notfall rät er Patienten, sich in der Nähe des Hausartzes aufzuhalten. Und zwar in den ersten Januartagen: „Es passiert ja nicht alles zwei bis drei Stunden nach dem Jahreswechsel.“
Um die Verwaltung macht sich Stremmel die wenigsten Sorgen. „Rechnungen können auch per Hand geschrieben werden.“ Im OP-Bereich aber gehe es immer um Menschenleben. Erster Testfall für die Arbeitsgruppe ist der 9.9.1999. Auch hier sprängen die Computer von der Ziffer 9 auf die Ziffer 0. „Noch viel kritischer“ werde es aber vermutlich im Februar 2000. Am 29. ist Schaltjahr. Eins das nur alle 400 Jahre vorkommen soll. „Da hat noch kein Programmierer dran gearbeitet.“ pipe.
Hotline des Krankenhaus Links der Weser Tel: 879-1265
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