: Frauen und Männer tauschen
Mit Sachbearbeitern spielt und spaßt man nicht: „How to succeed in business without really trying“ schillert hinreißend grau in grau in der Neuköllner Oper ■ Von Miriam Hoffmeyer
Steil und dornig ist der Weg nach ganz oben. Zumindest wenn man als Pizzalieferantin anfängt. Aber Jane P. Finch hat nicht nur einen unbeugsamen Willen, sondern auch einen unfehlbaren Karriereratgeber. Scheinbar unabsichtlich stolpert sie in die Firma, indem sie der Chefin ein Bein stellt.
Mit ähnlichen Methoden geht es weiter, Lektion für Lektion. Hier ein Kompliment, dort eine Intrige, ein edler Verzicht zur rechten Zeit – der Aufstieg ins Controlling, ins Personalmanagement, in die Werbung und schließlich in den Aufsichtsrat ist nicht mehr zu stoppen. Janes Kolleginnen kommen ihr immer erst dann auf die Schliche, wenn sie schon eine Stufe höher aufgestiegen ist. Aber bei aller Heuchelei bleibt sie doch ein sympathisch gerader Charakter. Sie muß sich nicht verbiegen, denn sie hat nur ein Ziel, und dem bleibt sie gänzlich skrupellos treu.
„How to succeed in business without really trying“ ist das letzte Musical von Frank Loesser und Abe Burrows, die mit der Gangsterkomödie „Guys and Dolls“ berühmt wurden. Regisseur Peter Lund hat die Bürosatire aus den 60er Jahren durch einen genial einfachen Trick in die 90er hinübergerettet: Alle Männer- und Frauenrollen wurden vertauscht. Unwiderstehlich und sehr intensiv schmachtet der Empfangsherr Fitzgerald Pilkington (Benny Zobrys) nach einer gemeinsamen Zukunft mit Jane, der Powerfrau: „Ich halte ihr das Essen warm, und sie stürmt vorwärts!“
Statt einer dummen blonden Sekretärin macht der Sachbearbeiter Robby LaRue (Markus Düllmann) mit seinen Koteletten, seinen sehr engen Hosen und coolem Gebaren alle Managerinnen kirre. „Mit Sachbearbeitern spielt man nicht!“ singen sie sich warnend zu. Doch nur Jane (Katja Berg) bleibt dank ihres Zielbewußtseins weitgehend immun gegen Robbys Reize, er wird ihre schärfste Waffe im Kampf gegen die Konkurrentinnen, unter denen wirklich alle Bürotypen vertreten sind.
Die dreiste Inkompetente, die den Job nur durch ihre Verwandtschaft mit der Direktorin bekommen hat. Die Kompetente, die sich durch Taktlosigkeit alles versaut. Die treue Sklavin der Firma. Die nette Machtlose. Und schließlich die Direktorin Angela Biggley (Anke Fiedler), die trotz all ihrer Führungsqualitäten doch sofort schwach wird, wenn sie sich an ihre wilden Jahre als Cheerleader erinnert. Alle Darsteller studieren an der Hochschule der Künste, geben ein hinreißendes Ensemble ab und haben sichtlich ebensoviel Spaß an dem Büromusical wie das Publikum. Die hin und wieder hörbaren gesanglichen Schwächen werden durch den Drive der Tanzszenen (Choreographie: Nicola Wendt) mehr als wettgemacht. Die Welt der Firma, in der sich alles abspielt, schillert grau in grau, von den Business-Kostümen bis zu den Kaffeetassen. Birgit Remuss hat ein Bühnenbild mit Schiebewänden im Lochkartendesign gebaut, das sich kaum zu wandeln scheint und doch immer für einen idealen Hintergrund sorgt, für die Präsentation im Chefzimmer wie für die Liebesszene vor dem Fahrstuhl. Die Musik strebt so flott voran wie Jane P. Finch, Saxophon und Posaune sorgen für humoristische Töne. Alles ist nett anzuhören, allerdings bleibt kein Song in Erinnerung. Romantisch verlangsamt wird nicht einmal, wenn Jane und Fitzgerald, ihre „Cinderella“, sich endlich kriegen. Damit ist dieses Musical wohl konkurrenzlos unsentimental. Aber schließlich macht es sich ja auch über sein eigenes Genre lustig. Oft genug wurde das Musical als Angestelltendroge entlarvt und gescholten, hier verspottet endlich mal eines den Alltag des eigenen Publikums.
14. bis 17.7. und 21./22.7. jeweils 20 Uhr; 24.7., 16 und 20 Uhr. Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131–133
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen