: Kritischem Hausarzt droht Entzug der Kassenzulassung
■ Krankenkassen werfen dem Vorsitzenden der Hausärztevereinigung vor, Patienten „selektiert“ und damit die vertragsärztlichen Pflichten „gröblich verletzt“ zu haben
In Berlin könnte bundesweit erstmalig ein Arzt wegen kritischer Meinungsäußerungen zur Honorarsituation der Ärzte seine Kassenzulassung verlieren. Das glaubt zumindest die Hausärztevereinigung Berlin (HVB), deren Vorsitzende der betroffene Arzt Klaus-Joachim Schilling ist. Die Krankenkassen haben bereits im Februar beim Zulassungsausschuß beantragt, dem Weddinger Hausarzt die Zulassung zu entziehen. Ihrer Ansicht nach hat Schilling die vertragsärztliche Pflicht „gröblich verletzt“. Der Zulassungsausschuß, der unabhängig und paritätisch mit Ärzten und Kassenvertretern besetzt ist, wollte gestern abend über den Antrag entscheiden. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor.
Um gegen die schlechte Bezahlung der Hausärzte zu protestieren, hatte die HVB in den vergangenen Monaten wiederholt demonstriert, aber andere niedergelassene Ärzte auch zum „Dienst nach Vorschrift“ aufgerufen. „Wir haben nur das untersucht und behandelt, was vorgeschrieben ist, und daher Patienten auch häufiger ins Krankenhaus überwiesen“, erklärt HVB-Vize Uwe Nevermann. Damit wollte die HVB die Kassen in dem chronischen Konflikt um Honorare unter Druck setzen.
Schilling hatte die Position der HVB in einem Interview in der„Abendschau“ dargestellt und zudem gesagt: „Ich richte mein Engagement danach aus, was die Krankenkassen vergüten.“ Die Kassen werfen Schilling nun vor, er würde in unzulässiger Weise seine Patienten in gut bezahlende Privatpatienten und Pflichtversicherte „selektieren“. Schilling sei daher auf Dauer als Vertragsarzt ungeeignet. Ärzteverbände dagegen kritisieren die skandalösen Eingriffe in die Meinungsfreiheit und verwahren sich gegen „Berufsverbote für kritische Kollegen“.
Nach Angaben der HVB wollte Schilling aber auf die unterschiedlichen Pauschalen hinweisen, die die einzelnen Krankenkassen pro Patient an den behandelnden Hausarzt zahlen. Bei der kleinen Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union, die mit einem niedrigen Beitragsatz wirbt, liegt diese „Kopfpauschale“ bei rund 400 Mark. Bei der Berliner AOK ist sie fast doppelt so hoch, liegt aber noch immer unter denen der Ersatzkassen. Sabine am Orde
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