Ein Springer von Springer

■  Wenigstens sind beide neuen „Stern“-Chefs sinkende Auflagen gewöhnt: Der eine aus 13 „Stern“-Jahren, der andere von „Hörzu“

Der erste läßt sich „Petz“ nennen. Die meisten, die mal mit Andreas Petzold, 44, zusammenarbeiteten, verfallen ins Schwärmen, wenn sein Name fällt: „kollegial“, „integrativ“, „kreativ“. Der Mann muß eine emotionale Ausstrahlung haben, so, wie sie das sagen. Der andere ist auch so ein Liebling. Aber über Thomas Osterkorn, 45, spricht seine Redaktion eher nüchtern: „Ein Profi“. „Ein umgänglicher Mensch“ . „Ein gewinnender Typ“.

Nun sollen sie beide den Stern aus seiner tiefsten Krise führen, ein Blatt, das letzter Zeit mit ganz anderen Männern klarkommen mußte. Damit die Redaktion diese Zeiten nicht ganz vergißt, darf der einstige Stern-Chef Werner Funk, 62, bis Ende 2000 als „beratender Herausgeber“ dazustoßen. Aber dessen Rolle wird nicht zu stark, verspricht Osterkorn: „Wenn wir Rat brauchen, werden wir ihn fragen“. Osterkorn ist schon seit 13 Jahren beim Stern, zuletzt war er als Ressortchef Inland für Unterhaltung und Reportage. Der Versuch, Osterkorn loszuwerden, war vor zwei Wochen Anlaß für die unsanfte Verabschiedung des Sechs-Monate-Chefs Michael Maier. Als Gerd Schulte-Hillen, Verlagschef von Gruner+Jahr (G+J) gestern früh die Personalie der Redaktion bekannt gab, gab es Applaus für Osterkorn. Osterkorn sagt: „Jetzt habe ich nur einen anderen Titel. Ansonsten machen wir weiter wie bisher“. Die letzten zwei Wochen hatte er den Laden geleitet.

Daß Osterkorn nach dem Maier-Desaster in der Führung bleiben würde, war abzusehen. Die bemerkenswertere Entscheidung ist die für Andreas Petzold: Denn Petzold ist derzeit Chef bei Hörzu. Kein Blatt, von dem der Stern lernen könnte, außer vielleicht, wie man es mit Würde trägt, von gestern zu sein und die Auflagenzahlen stürzen zu sehen.

Aber für Petzold war Hörzu auch so eine Art Bewährungsaufgabee. Er sollte beweisen, daß er wirklich das Wunderkind war, für das ihn alle beim Springer-Verlag hielten. Diesen Ruf hatte er sich erworben, seit er dem bis dato etwas rückwärtsgewandten Verlag 1995 die muntere Frauenzeitschrift Allegra erfunden hatte. Was Petzold da machte, wurde nicht nur zu Recht allseits gelobt, sondern auch noch mit Auflage und leidlich Anzeigenbuchungen belohnt. Petzold möchte zu seinem neuen Job noch nicht viel sagen, nur, daß er „leidenschaftlich gern Zeitschriften macht“, und als jemand mit solcher Leidenschaft „kommt man am Stern nicht vorbei“.

Thomas Osterkorn will die Qualitäten Petzolds schon vor zwanzig Jahren erkannt haben, als jener als Praktikant zum Hamburger Abendblatt kam, wo Osterkorn arbeitete: „Das war damals schon auffallend, daß er ein Talent war“. Nun hofft er wohl, daß der Zweimetermann das in den Stern bringt, was ihm so sehr fehlt: „Uns fehlen die Emotionen“, sagt er, „unser Werbespruch ist: ,Der Stern bewegt‘. Das soll der Stern wieder tun“. Doch Osterkorn selbst kommt „eher aus dem harten Bereich“, wie er sagt. So soll nun der Mann von Springer das Loch füllen, an dem der Stern so lang schon leidet: daß ihm die großen Geschichten fehlen, daß er keine überraschenden Bilder mehr hat, keinen Eindruck hinterläßt. Bislang galt: Der Stern bewegt nichts und niemanden, außer sich selbst nach unten.

Doch das Problem, ist größer, als daß da nur ein Mann helfen könnte, und ruhen auch alle Hoffnungen auf ihm: Die Frage, ob der Stern mehr sein darf, als eine Geldmaschine für G+J und dessen Mutter Bertelsmann. Dann müßten die Verleger mehr in ihrem Flaggschiff sehen, als ein etwas unrund laufendes Profitcenter. Der Stern müßte wieder eine publizistischen Veranstaltung sein dürfen. Die Entscheidung für das Trio Funk, Osterkorn und Petzold bedeutet nun vielleicht, daß der Verlagsspitze dämmert, daß auch die Zeit der Wundermänner vorbei ist – aber es dämmert ihr eben noch nicht ganz. Und die Entscheidung für die Dreierkombi zeigt auch „die ganze Unsicherheit des Verlags“, wie ein Hamburger Verlagsinsider sagt. Wenigstens kann, wenn nun alles gutgeht, im November nächsten Jahres Gerd Schulte-Hillen ein beruhigtes Sorgenkind an Bernd Kundrun übergeben, seinen Nachfolger als Verlagschef. Aber auch wenn die neuen einen guten Stern machen, könnte er zu diesem Zeitpunkt eben die in der Verlagsspitze mit Bangen beäugte Latten von einer Millionen Auflage reißen.

Für ein bißchen Abwechslung werden die neuen wenigstens auf Seite 3 sorgen, wo die meist öden Editorials stehen: Vielleicht werde Funk mal eins schreiben, vielleicht Petzold, vielleicht er selbst, sagt Osterkorn – aber es könne auch gar keines geben, wie im Augenblick: „Ich habe am Wochenanfang andere Sorgen, als Editorials zu schreiben“. Lutz Meier