: Den Trog zu Wasser lassen
■ Beim traditionellen Brühtrogrennen in Bohlsen geht jedes teilnehmende Team baden
Kaum von der Love Parade erholt, feiert die Jugend schon den nächsten move. An der Gerdau huldigt sie indes statt Technobeats einem Maschinensound: dem satten Brummen des Traktormotors. Dafür gibt es hier ganz andere Formen der Freizeitgestaltung. Für Hamburger, die bei einem der spektakulärsten Wettrennen der Republik zuschauen wollen, heißt es jedoch zunächst, das Säckel schnüren und fragen: Wo bitte liegt Bohlsen?
Die Anreise – von Uelzen über die B71 oder mit dem Zug bis Uelzen, von dort um 11.15 weiter mit dem Bus – ist noch das kleinste Hindernis. Um an diesem Umzug teilzunehmen, braucht man neben Ausdauer, Badehose oder Bikini Beziehungen, Beziehungen auf das flache Land. Denn nur in Bauers Scheune findet sich das exklusive Gefährt, ohne das man bei der Rallye der Landjugend Gerdau-Eimke auf dem Trockenen sitzt: den Brühtrog.
Die hölzerne Wanne hat ihre besten Zeiten eigentlich schon hinter sich. Kaum ein Schwein muß seine Borsten heute noch darin lassen. Statt dessen führt die letzte Reise der Kotelettelieferanten inzwischen zum Schlachthof. Doch die Jugendlichen aus dem Umland von Uelzen haben seit 30 Jahren eine ganz andere Verwendung für die veraltete bäuerliche Gerätschaft gefunden. Sie lassen den Trog zu Wasser. Seitdem hat die Wanne wieder eine Zukunft. Alljährlich treffen sich 80 Teams, bestehend aus einem Mädchen und einem Jungen, um auf der Gerdau auf große Fahrt zu gehen.
Langsam hebt sich der Hänger. Die Ladefläche wird zur Rampe, und der Brühtrog gerät ins Rutschen, Kaltstart unter Quieken und Kreischen. Im Wasser trennen sich schnell die Landratten von den heimlichen Seebären. Sind die Planken nicht dicht – das Wässern des Troges gehört zur guten Vorbereitung –, gehen die Flußschiffer sofort auf Tauschstation. Dann müssen sie sich mit dem Schöpfeimer, den der Wasser-TÜV nicht umsonst als Ausrüstung an Bord vorschreibt, über die gewundene Fünf-Kilometer-Strecke retten.
Trocken bleibt auf der Fahrt keiner. Spätestens beim gefürchteten Tigersprung durch den Trekkerreifen, der mitten über dem Flüßchen hängt, gehen auch die geübtesten Trogfahrer baden. Das Publikum, das dichtgedrängt das Ufer säumt, stimmt dan schon einmal die Beatles-Hymne „Yellow Submarine“ an. Schadenfrohe Zuschauer müssen allerdings mit einer kalten Dusche rechnen.
Der Startschuß zur 30. Brühtrog-rallye fällt morgen um 11 Uhr in Bohlsen, die Sieger werden auf dem Landjugend-Ball am Abend gekürt.
Claus Rosenau
Infos bei der Landjugend Gerdau-Eimke, Sabine Fick, Tel.: 058 26/76 86. Letzter Bus ab Bohlsen: 14.37 Uhr
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