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Armenische Christinnen in der Mühle

■ OVG lehnte Beschwerde ab / Angst vor Ausweisung

Das Bremer Oberverwaltungsgericht (OVG) hat jetzt die Hoffnung zweier armenischer Schwestern auf ein halbwegs gesichertes Bleiberecht in Deutschland kassiert. Die beiden 22 und 27 Jahre alten Frauen fürchten jetzt, in die Türkei ausgewiesen werden zu können. Zwar hatten die beiden bereits „das kleine Asyl“ in Deutschland erhalten: Nachdem sie sich an öffentlichen Demonstrationen für das Bleiberecht von in der Türkei verfolgten armenischen Christen eingesetzt hatten, hatte das Asyl-Bundesamt ihrem zweiten Asylantrag stattgegeben; die jungen Frauen müßten nach der Veröffentlichung ihrer Fotos mit Verfolgung rechnen, akzeptierten die Bremer Richter die sogenannten „Nachfluchtgründe“. Doch hatte der Asylbundesbauftragte Klage dagegen eingelegt. Mit der jetzigen OVG-Entscheidung hat er endgültig gewonnen, das kleine Asyl wurde kassiert.

„Unsere Verwandten leben nicht mehr in der Türkei“, sagen die Schwestern. Die Vorstellung, sich künftig in der Türkei – ohne Beruf und ohne Familie – als weibliche Angehörige der verfolgten Minderheit der rund 20.000 armenischen Christen durchschlagen zu sollen, macht ihnen angst.

Vor rund acht Jahren waren die beiden Schwestern als Schülerinnen mit den Eltern nach Bremen gekommen, nachdem sie und ihre inzwischen hier verstorbene Mutter Übergriffe der türkischen Polizei erdulden mußten. Eine Schwester war deswegen längere Zeit nachweislich in psychologischer Behandlung. Der Vater gilt noch heute als reiseunfähig; der Bruder ist in Bremen glücklich verheiratet.

„Als Frauen alleine machen die uns in der Türkei fertig“, sagt die Ältere. Das Wort „Armenier“ gelte in der Türkei als Schimpfwort. Die türkische Innenministerin von 1997, Meral Aksener, habe Öcalan öffentlich als „Armenierbrut“ bezeichnet, berichten sie. Dies sei in vielen konservativen Medien aufgegriffen und weitergetragen worden. Dies mache die Lage der christlichen Minderheit deutlich. Internationales Aufsehen erregte zuletzt auch 1998 die Einmischung des türkischen Staates in die Angelegenheiten der armenischen Kirche nach dem Tod des damaligen Patriarchen und eine anschließende Hetzkampagne gegen ArmenierInnen.

Der Anwalt der Frauen will jetzt versuchen, eine Abschiebung zu verhindern: Ihm erscheine es schwer vorstellbar, daß zwei junge Frauen unter diesen Gegebenheiten allein in die Türkei abgeschoben werden könnten, sagte er. ede

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