Bewährungsstrafe für angebliche Schleuser

■ Vier tamilische Männer gewährten Flüchtlingen nach Ankunft in Berlin Unterschlupf

Mit Bewährungsstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren endete vorgestern ein neun-monatiger Prozeß gegen drei Berliner und einen Münsteraner Tamilen am Landgericht Frankfurt (Oder) (taz vom 12. 11. 1998). Die Männer wurden schuldig gesprochen, in sieben Fällen tamilischen Flüchtlingen „bandenmäßig“ zum illegalen Aufenthalt in der Bundesrepublik verholfen zu haben.

Die durch Polen „eingereisten“ Tamilen schlugen sich nach Berlin oder in das Berliner Umland durch und riefen von dort den Hauptangeklagten Tamilen aus Telefonzellen an. Der holte sie ab und brachte sie zusammen mit anderen Angeklagten zur zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Berlin. Vorher verbrachten sie einige Tage in seiner Wohnung im Wedding, um sich von der strapaziösen Reise zu erholen.

Ronald Reimann, der Verteidiger des Hauptangeklagten, ist mit dem Urteil „zufrieden“, obwohl sein Mandant in seinen Augen keine verwerfliche Handlung begangen hat. „Das Gesetz hat ein milderes Urteil nicht zugelassen. Es gibt keinen Unterschied zwischen Schleusung und Beihilfe zum illegalen Aufenthalt, ebenso zwischen humanitären und kommerziellen Motiven.“ Nach Reimanns Angaben hat das Landgericht anerkannt, daß die Tamilen zugunsten von Menschen in Not gehandelt und sich an ihrer Not nicht bereichert hatten. Die Staatsanwaltschaft jedoch sah die Männer in der Anklageschrift als letztes Glied einer „international agierenden gewerbsmäßigen Menschenhändlerkette“. Sie konnte jedoch trotz einer sechsmonatigen totalen Telefonüberwachung andere Mitglieder der angeblichen Kette nicht benennen.

Die Verfolgung von mutmaßlichen Schleusern erfolgt selbst bei Vorliegen humanitärer Motive sehr restriktiv. Laut Reimann ist es, wenn es um den Tatvorwurf der Schleusung geht, einfacher als bei anderen Delikten, großflächig Telefonate abzuhören.

Schleusungen und Beihilfen zum illegalen Aufenthalt werden in der Regel an den Gerichten an der deutschen Ostgrenze verhandelt. Das gilt auch dann, wenn ein Helfer von Berlin aus agierte. Solche Prozesse sind häufig. Klaus Bartl, Strafverteidiger aus Chemnitz und sächsischer PDS-Landtagsabgeordneter, verteidigte allein 30 Mandanten, denen „Schleusungen“ zur Last gelegt wurden, die jedoch geltend machten, ihren Landsleuten lediglich innerhalb der Bundesrepublik aus humanitären Motiven geholfen zu haben. Bartl: „Während vor drei Jahren in solchen Fällen Geldstrafen drohten, müssen die Leute heute ins Gefängnis.“

Marina Mai