piwik no script img

Ganz Berlin ist ein Hafen in einem großen See

■ Vom Wasser aus betrachtet, verfügt die Hauptstadt über 800.000 Quadratmeter Hafenflächen, doch die werden längst nicht ausreichend genutzt – es mangelt an ausgebauten Wasserstraßen

Der größte Hafen Deutschlands liegt in Berlin. Zumindest nach der Quadratmeterfläche betrachtet. Sie beträgt 800.000, und damit sind die Hafenanlagen der Hauptstadt um 30.000 Quadratmeter größer als die von Duisburg, dem bedeutensten Binnenhafen Europas. Im Ranking der Umschlagmenge liegt Berlin mit seinen Häfen und einigen weiteren kleinen Hafenbecken an siebter Stelle.

Jährlich werden rund 7,5 Millionen Tonnen über die Kaimauern vom Zug aufs Schiff oder vom Schiff auf den Lkw umgeschlagen. Doch im Gegensatz zu den stark befahrenen Wasserstraßen an Rhein und Ruhr kann die Binnenschiffahrt an Spree und Oder nicht so preisgünstig Güter transportieren wie auf dem ausgebaggerten Rhein, wo die Schiffe eine sogenannte Abladetiefe, den maximalen Tiefgang eines beladenen Schiffes, von bis zu drei Metern haben. Auf Teilen der Havel reicht diese nur bis zu 1,90 Meter.

„Das bedeutet, daß die Binnenschiffe bisweilen nur bis zur Hälfte beladen fahren können“, sagt Klaus-Peter Hinz von der Deutschen Binnenreederei. Zudem sei die Zukunft der Binnenschiffahrt in und um Berlin nur umzusetzen, wenn die Durchfahrtshöhe der Brücken erhöht werde, fordert Jürgen Raach von der Behala, den Berliner Hafen- und Lagerhausbetrieben. Beim Containerverkehr, der auf dem Rhein schon seit 15 Jahren praktiziert werde, könnte man eben nicht nur Massengüter wie Baustoffe und Schrott transportieren, sondern auch kleinere, hochsensible Teile wie Computer. Die Behala plane daher, den Westhafen für den Containerverkehr zu modernisieren.

Das 1992 beschlossene Projekt sieht vor, die Wasserwege zwischen Hannover, Magdeburg und Berlin auszubauen. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt erhofft sich vom Projekt, das einen Kostenrahmen von rund 4,5 Milliarden Mark vorsieht, große Impulse: „Der Verkehr von und nach Berlin wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Da hoffen wir den Anteil der Binnenschiffahrt erhöhen zu können“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerhard von Haus.

Momentan hat die Binnenschiffahrt in Deutschland einen Anteil von 16,5 Prozent am Straßengüterfernverkehr, der mit 61,3 Prozent zu Buche schlägt. Die Eisenbahn erreicht einen Anteil von 22,3 Prozent. In der Europäischen Union kommt die Binnenschifffahrt sogar nur auf rund 5,4 Prozent. „Wenn 2002 die Schwergutabgabe für Lkws fällig wird, erwarten wir eine deutliche Verlagerung auf Zug und Schiff.“ Zudem argumentiert die Binnenschiffahrt mit „sauberen Bilanzen“. Die Zugkraft pro einem PS betrage bei einem Lkw 150 Kilogramm, bei der Bahn 500 Kilogramm und bei der Binnenschiffahrt 4.000 Kilogramm. Bei den spezifischen Kohlendioxid-Emissionen kommt ein Lkw auf 164, die Bahn auf 48,1 und die Binnenschiffahrt auf 33,4 Gramm pro transportierter Tonne auf einem Kilometer.

Umweltschutzverbände wie der BUND stimmen nur sehr sensiblen Eingriffen in die Schifffahrtsstraßen zu. „Wir würden einem Ausbaggern der Havel auf eine Abladetiefe von 2,50 Meter o.k finden. Aber nicht tiefer“, sagt Winfried Lücking vom BUND. Zudem weist er darauf hin, daß die Verbreiterung der Flüsse für die Umwelt und die Schilflandschaften noch viel fatalere Folgen hätte. Gerade für diese habe Berlin in den letzten zehn Jahren 30 Millionen Mark ausgegeben.

Außerdem bezweifelt der BUND, ob sich der Warenumschlag in und um Berlin tatsächlich stark erhöhen werde. Die Binnenschiffahrt setzt allerdings auf eine stärkere Öffnung der Märkte in Osteuropa. Hinz: „Wenn die Oder nicht ausgebaggert wird, werden wir demnächst Lkw-Staus von der Grenze Polens bis an die Stadtgrenzen Berlins haben.“

Annette Rollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen