Press-Schlag
: Später DDR-Triumph

■ Eishockey-Auswahl bekommt nach 33 Jahren ihre EM-Bronzemedaillen

Ausgerechnet in Bayern kommt es am 2. Oktober – fast auf den Tag zehn Jahre nach dem Untergang der DDR – zu ihrem letzten sportlichen Sieg. An diesem Tag wird im neueröffneten Deutschen Eishockey-Museum in Augsburg die DDR-Nationalmannschaft antreten, um die Bronzemedaillen für ihren dritten Platz bei den Eishokkey-Europameisterschaften überreicht zu bekommen. Weil die Titelkämpfe schon 33 Jahre her sind, erleben zwei Spieler des Teams die späte Auszeichnung allerdings nicht mehr. Den anderen Cracks wird der Schweizer Präsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF, René Fasel, offiziell die Medaillen übergeben. Hymne und DDR-Flagge fallen bei der Zeremonie allerdings aus.

Macht überhaupt nichts. Für Joachim Ziesche, der nach seiner Spielerzeit auch einige Jahre DDR-Nationaltrainer war, ist allein wichtig, daß „letztlich die Vernunft und Gerechtigkeit gesiegt hat“. Der 59jährige weiß zu berichten, daß sich seine einstigen Mannschaftskameraden riesig freuen über den nachträglichen Lohn für ihre harte Arbeit. „Damals wurde auf dem Eis entschieden, daß wir Dritter sind. Aber am grünen Tisch erfolgte die Aberkennung.“

Die kam so: Innerhalb des WM-Turniers 1966 in Ljubljana wurde wie üblich auch die EM ausgespielt. Dazu wertete man einfach die Spiele der europäischen Mannschaften untereinander extra. Danach war die DDR Dritter vor Schweden, das sie im direkten Duell besiegt hatte. In der WM-Tabelle lagen die Skandinavier als Vierter allerdings vor der DDR, weil da auch die Spiele gegen USA und Kanada zählten. Plötzlich hieß es, die drei bestplazierten europäischen Mannschaften in der WM-Tabelle würden die EM-Medaillen bekommen. Schön für Schweden, Pech für die DDR. Deren Protest wurde ohne Begründung abgeschmettert, und dabei blieb es.

Bis zum letzten Jahr, als der pensionierte Eishockeyjournalist Horst Eckert (67) aus Augsburg eine Chronik für den Eishockey-Weltverband zu dessen 90. Juiläum schrieb. Der 67jährige hatte beim Recherchieren gemerkt, daß in den Statistiken die DDR mal als Dritter und mal als Vierter der 66er EM verzeichnet war. Ekkert fand heraus, daß der damalige britische IIHF-Präsident John Francis „Bunny“ Ahearne einfach beschlossen hatte, auch die Spiele gegen USA und Kanada mitzuwerten. „Und wenn Bunny etwas gesagt hat, ist es gemacht worden. Der hat die Geschäfte nach Gutsherrenart geführt.“ Das soll so weit gegangen sein, daß er angeblich sogar Mannschaften verpflichtete, die Reise zum WM-Standort bei einem ihm gehörenden Reisebüro in London zu buchen. Horst Ekkert glaubt, daß Bunnys Willkür der Hauptgrund für den Skandal war, weniger politische Ränke. „Der sture Engländer hat einfach gesagt: UdSSR, CSSR, Schweden, antreten zur Siegerehrung, und die DDR-Spieler standen da wie die Lehrlinge. Es hätte jeden anderen treffen können.“

Joachim Ziesche erinnert sich noch gut an die Fassungslosigkeit in seiner Mannschaft, immerhin hatte die DDR nie zuvor (und auch nie wieder danach) Edelmetall bei internationalen Meisterschaften gewonnen: „Wir dachten auch nicht an politische Gründe, weil die BRD ja nicht mal in der A-Gruppe mitspielte. Aber keiner weiß, was wirklich war.“ Horst Eckert durfte die offizielle Begründung für die Ablehnung des Protestes nicht einsehen: „Die ist unter Verschluß.“ Funktionärsveteranen hätten lediglich durchblicken lassen, daß nicht alles offiziell geändert werden soll, um nicht zuviel Staub aufzuwirbeln. So bleibt der Fall mysteriös, hat aber immerhin ein Happy-End.

IIHF-Präsident René Fasel machte sogar die Firma in seinem Heimatland ausfindig, die vor drei Jahrzehnten die Medaillen herstellte und nun nachprägte. Die schwedischen Cracks dürfen ihre nämlich behalten, was auch Horst Eckert vernünftig findet, obwohl er meint, „als richtige Sportler hätten sie die Medaillen damals gar nicht angenommen“. Daß sich gerade ein Wessi so für die Ex-DDRler eingesetzt hat, findet wiederum der IIHF-Chef Fasel ziemlich gut für das deutsche Eishockey. Wahrscheinlich sind die ostalgiebeladenen „Dynamo!“-Gesänge aus dem Ostberliner Eisbären-Stadion bis in die Schweiz vorgedrungen. Gunnar Leue