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Washington warnt Peking vor Gewalt gegen Taiwan

■ Aus Angst vor einer militärischen Eskalation des Streits zwischen der Volksrepublik und Taiwan um den Status der Insel stürzen an der Börse von Taipeh die Aktienkurse ab

Berlin (taz) – Gerüchte, die Volksrepublik China habe einen Teil ihrer Truppen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und plane die Eroberung von zu Taiwan gehörenden Inseln, haben gestern an der Börse in Taipeh einen Kurssturz ausgelöst. Der Aktienindex schloß um 506 Punkte oder 6,4 Prozent niedriger als am Vortag. Das war nach Punkten der größte Verlust seit neun Jahren und prozentual der größte Kurssturz seit der letzten Taiwankrise 1996. Die Gerüchte waren durch Zeitungsberichte in Hongkong ausgelöst worden, konnten aber gestern nicht bestätigt werden.

Vielmehr war der Ton im Streit zwischen Taiwan und China um die separatistischen Äußerungen des taiwanischen Präsidenten gestern weniger bedrohlich als am Vortag. Am Donnerstag hatte Peking verkündet, die Neutronenbombe bauen zu können, was von Beobachtern als Drohung an Taiwan gewertet wurde. Davor hatte Chinas Verteidigungsminister erklärt, die Armee stünde bereit, um die „territoriale Integrität“ Chinas zu verteidigen. Dazu gehört für Peking auch Taiwan. Auf Chinas Drohungen reagierte die US-Regierung abwiegelnd. Auch die indirekte Drohung mit der Neutronenbombe wurde offiziell nicht als solche bewertet, sondern nur als Reaktion auf entsprechende US-Spionagevorwürfe.

US-Außenamtssprecher James Rubin warnte dennoch die Regierung in Peking vor dem Einsatz von Gewalt gegen Taiwan. Versuche, die Frage der Zukunft Taiwans anders als mit friedlichen Mitteln zu lösen, würden laut Rubin als Bedrohung des Friedens und der Sicherheit im Westpazifik gewertet. Die US-Regierung machte aber deutlich, daß sie anders als 1996 keine Veranlassung sieht, Marineschiffe in die Region um Taiwan zu entsenden.

Chinas Führung hat offenbar noch nicht entschieden, wie sie auf Taipehs verbales Abrücken von der Ein-China-Politik reagieren will. Taiwans Regierung wiederholte inzwischen noch einmal, daß sie künftig von der Formel „ein Volk, zwei Staaten“ statt der bisherigen Devise „ein China, zwei politische Gebilde“ ausgeht. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, deren formale Unabhängigkeit man notfalls auch mit Gewalt verhindern wolle. Unklar bleibt, ob ein für den Herbst in Taiwan geplantes Treffen hochrangiger Vertreter beider Staaten noch stattfinden wird. Sven Hansen

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