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„Wir sind viel zu menschlich gewesen“

■ Innenbehörde will rot-grüne Vereinbarung zur Abschiebepolitik nicht umsetzen

Daß der Geist der Koalitionsvereinbarung über eine sensiblere Abschiebepolitik noch nicht bis in die Büros der Ausländerbehörde gedrungen ist, zeigte sich vorige Woche, als die armenische Familie H. auseinandergerissen wurde – obwohl derartige Fälle gerade vermieden werden sollen (taz berichtete).

Gestern bestätigte Christoph Holstein, Sprecher der Innenbehörde, daß diese es nicht als ihre Aufgabe ansehe, die rot-grüne Absprache etwa in Form von Dienstvorschriften umzusetzen: „Die Einigung ist eine Zielvorgabe“, so Holstein. „Wir begreifen sie nicht als Raster, das jetzt allen Einzelfällen übergestülpt werden muß“. Vielmehr sei darauf zu vertrauen, daß die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde die rot-grüne Vereinbarung kennen und selbständig umsetzen werden.

Zur Sachbearbeiterin der Familie H. indes sind die sieben Punkte, welche die Fraktionsspitzen von GAL und SPD sowie Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) am 9. Juli vereinbart hatten, offenbar noch nicht vorgedrungen. Sie hatte den Vater am Donnerstag in Abschiebehaft nehmen lassen, als der mit seiner 12jährigen Tochter in der Ausländerbehörde war. Während die Mutter mit einer dreijährigen Tochter zunächst in Hamburg verbleiben sollte, wollte sie den Vater mit den 12 und 13 Jahre alten Töchtern am Freitag nach Armenien zurückschicken.

Da Kinder nicht ins Gefängnis gesteckt werden dürfen, wurde das Mädchen zurück in ihre Unterkunft begleitet, wo sie zusammen mit ihrer Schwester am folgenden Morgen von der Polizei abgeholt und zum Vater ins Flugzeug gesetzt werden sollte.

Die Mädchen waren am nächsten Morgen aber nicht zuhause, als die Polizei kam. Deshalb habe die Sachbearbeiterin bei der Abschiebung des Vaters auf dem Flughafen in einem Gespräch mit dessen Ehefrau, deren Schwester und einer Sozialarbeiterin gesagt: „Wir sind viel zu menschlich gewesen. Wir hätten das Mädchen gestern auch statt zu ihrer Mutter zum Kinder- und Jugendnotdienst bringen können“.

Wütend über das Vorgehen der Ausländerbehörde hat GAL-Fraktionschefin Antje Möller den Staatssekretär der Innenbehörde, Wolfgang Prill, konsultiert. Das Gespräch habe laut Möller bestätigt, daß „noch Wege gefunden werden müssen, politische Vereinbarungen in die Behörde reinzutragen“. Elke Spanner

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