Willi Lemke: „Das Glas ist halbvoll!“

■ Mit Reduzierung der „Freistellungs“-Stunden, privaten Kräften und neuen Lehrern soll der Unterricht gesichert werden

Schulzentrum Helgolander Straße minus 73 Stunden, Schulzentrum Butjadinger Straße minus 64 Stunden, Schulzentrum Obervieland minus 73 Stunden – so sah die Liste aus, mit der die Schulleiter vor zwei Wochen zur Bildungsbehörde gegangen sind und unter Protest den Saal verließen, als sie zur Antwort bekamen, sie sollten bitte den Mangel gleichmäßig untereinander verteilen (vgl. taz vom 8.7.) Am Montag dieser Woche war wieder Termin bei der Schulaufsicht, Gernot Lückert wollte erklären, was die Behörde anzubieten hat.

Aber Lückert berichtete den Schulleitern zunächst, der neue Senator erwarte von ihnen, daß sie die Lage nicht mehr so dramatisch gegenüber der Öffentlichkeit darstellten. Kritik sollte im Innenverhältnis geübt werden, nicht über die Presse. Schulleiter müßten die Lehrer motivieren und, wenn es Probleme gebe, eher zu der Sprachregelung finden, daß das Glas „halbvoll“ ist.

Da ca. 2.000 Lehrerstunden im kommenden Jahr fehlen, ist das Glas im Grunde also fast randvoll, der Unterrichtsausfall würde nur knapp 10 Prozent des Lehrplans betreffen. Die senatorische Behörde arbeitet kreativ daran, auch das noch zu verbessern. Genau 487 Unterrichtsstunden entstehen wie aus dem Nichts, weil die „Freistellung“ für Aufgaben der Leitung und Entwicklung reduziert wird. Insgesamt 300 zusätzliche Lehrerstunden entstehen, weil die Freistellungsstunden für Fortbildung von Lehrern gestrichen werden. 730 Lehrerstunden werden schlicht durch Hononarkräfte gegeben (was preiswerter ist), insbesondere im Förderbereich für Ausländer-Kinder soll an neun Schulen der private Verein „Stadtteil-Schule“ eingesetzt werden. Insgesamt 522 Lehrerstunden (26 3/4-Stellen) sollen durch Neueinstellungen besetzt werden.

Der Geschäftsführer des Vereins Stadtteil-Schule wußte gestern noch gar nichts von seinem Glück. Der Verein wurde vor 15 Jahren von arbeitslosen Lehrern gegründet, die vom Hort über Hausaufgabenhilfe und Begleitung straffällig gewordener Jugendlicher (fast) alles machen, was im sozialen und pädagogischen Bereich anfällt. Die Angebote finanzieren sich zum Teil über ABM-Kräfte, zum Teil aber auch über staatliche Zuschüsse. In den Sprach-Unterricht ist der Verein eingestiegen, als die vielen bosnischen Kinder in Bremen ankamen.

Die Schulleiter, die am Montag in der Bildungsbehörde waren, sind mit gemischten Gefühlen zurückgekommen. „So schlecht, wie es vor zwei Wochen aussah, sieht es nicht mehr aus“, sagt etwa der Leiter des Schulzentrums Im Ellener Feld, Bernd Holzkamp. Bis Ende kommender Woche, so hofft er, werde die Schulverwaltung klären, ob in den neuen Stundenplänen ein neuer Musik-Lehrer eingeplant werden kann oder nicht. Am Schulzentrum Butjadinger Straße werden über die Ferien zwei Stundenpläne gemacht: Einer für den Fall des halbleeren Glases, einer für den noch besseren Fall, daß die in den Lehrplänen vorgesehen Stunden gegeben werden können.

Daß die Schulleitungen weniger Leitungsstunden haben und Lehrer weniger Anreiz zur Fortbildung, bringt an seinem Sek-1-Schulzentren wenig, sagt Schulleiter Wilfried Eitmann aus Obervieland. Das erwartete Defizit von 73 Stunden hat sich bisher dort noch erhöht durch den erwarteten Weggang eines Kollegen. „Aber dieses Defizit soll aufgefüllt werden“, so ist auch ihm zugesagt worden. Ganz ist er von dem positive thinking des neuen Bildungs-Managers noch nicht angesteckt: „Zufrieden bin ich erst, wenn ich die neuen Lehrer hier sehe.“ K.W.