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Spanien und die „Scheiß-Mauren“

In Katalonien nimmt die Gewalt gegen afrikanische Einwanderer beängstigende Ausmaße an. Die Linksparteien spielen sie herunter, um keine Wählerstimmen zu verlieren    ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Pere Bosch, Bürgermeister der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) in Banyoles, macht es sich einfach: Bei dem Brandanschlag auf ein Haus afrikanischer Immigranten in dem nordspanischen Dorf handle es sich lediglich um „einen Lausbubenstreich“ und um „eine Randerscheinung, die gegen kein Kollektiv im konkreten gerichtet ist“. Die Sprecherin der afrikanischen Einwanderer in Banyoles, Moussa Kanthe, sieht das anders: „Wir sind Opfer einer rassistischen Welle.“

Das Drama begann um Montag früh um 1 Uhr 20. Irgend jemand hatte leicht entflammbare Flüssigkeit im Treppenhaus ausgeschüttet und Feuer gelegt. Die 20 Anwohner konnten sich nur über die Balkone und Regenrinnen retten. Eine 39jährige Frau aus Gambia brach sich beim Sprung aus dem Fenster beide Knöchel und Handgelenke. Zwei weitere Frauen mußten mit Brandverletzungen ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert werden, eine von ihnen hochschwanger.

Noch während Bürgermeister Bosch den Übergriff herunterzuspielen versuchte, brannte es in der wenige Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Girona. Unbekannte hatten vor der Tür einer Moschee Mülltüten aufgestapelt und angesteckt. Es war 10 Uhr 50.

„Wir werden uns das gute Klima des Zusammenlebens von niemandem kaputt machen lassen“, erklärt Bosch. In den Ohren der Immigranten in Banyoles klingt dies wie ein schlechter Witz. In den letzten Monaten hatte es in Banyoles schon dreimal gebrannt. Opfer gab es dabei keine. Vor einer Woche reichten 300 Anwohner eine Unterschriftenliste gegen die Eröffnung einer Moschee ein. Und in der Brandnacht „standen die Nachbarn mit verschränkten Armen dabei. Keiner half uns, unsere Kinder zu evakuieren“, beschreibt eine der betroffenen Afrikanerinnen ihre Erlebnisse.

Unter den Einwandern macht sich Angst breit. Viele der 700 Immigranten im 14.500 Einwohner zählenden Banyoles wollen den Ort so schnell wie möglich verlassen. Seit fast zwei Wochen sorgt Spaniens nordöstliche Region Katalonien immer wieder für einschlägige Schlagzeilen. Nach einer Schlägerei auf dem Stadtfest in Terassa gingen dort letzte Woche Nacht für Nacht bis zu 1.300 Einwohner gegen die marokkanischen Immigranten auf die Straße. Jugendliche bauten sich stolz mit Springmessern bewaffnet vor den Kameras des spanischen Fernsehens auf und drohten an, „diese Scheiß-Mauren“ das Fürchten zu lehren.

Daß sie es durchaus ernst meinten, weiß der 23jährige Mohamed G. Er wurde von 40 bis 60 Jugendlichen umringt, zusammengeschlagen und niedergestochen. Der junge Marokkaner liegt noch immer im Krankenhaus.

Mittlerweile hat die Polizei elf Jugendliche aus Terassa verhaftet. Auch wem keine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, droht eine Verurteilung. Das neue spanische Strafrecht sieht bis zu drei Jahre Haft für diejenigen vor, die „zum Rassenhaß aufstacheln“.

Amalia Gomez, Staatssekretärin für Soziales, zeigte sich gestern völlig überrascht über die Gewalt gegen Ausländer in einem Land, das die niedrigste Immigrantenrate der EU aufweist. Die Vertreter der Parteien schweigen sich bisher aus. Vor allem der Linken ist das Thema zu heikel. Die Orte, die jetzt durch die rassistischen Vorfälle von sich reden machen, sind allesamt Hochburgen der Sozialisten und Kommunisten. Die Anwohner kamen selbst in den 50er und 60er Jahren auf der Suche nach Arbeit aus dem armen Südspanien ins wirtschaftlich starke Katalonien. Nur wenn die Sozialisten in den Industriearbeitervierteln gut abschneiden, haben sie eine Chance, im Herbst die katalanischen Regionalwahlen zu gewinnen. Antirassismus ist daher nicht populär.

Vergangenen Freitag riefen 100 Organisationen in Terassa zu einer Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit. Gerade mal 700 Teilnehmer waren zu verzeichnen.

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