: Gefährlicher Seeweg
■ Briten und Franzosen verschiffen Atombrennstäbe nach Japan. Greenpeace: Terroristen könnten Atomwaffenmaterial erbeuten
Paris (taz) – Im Hafen der normannischen Kleinstadt Cherbourg braut sich eine neue Atomschlacht zusammen. Die französische Marine ist da. Die Atomindustrie hat ihre PR-Experten geschickt. Und die UmweltschützerInnen von Greenpeace und anderen Organisationen sind ebenfalls vor Ort.
Der Grund für die Aufregung: Frankreich will heute seinen ersten Mox-Transport nach Japan schicken. Rund 220 Kilogramm Plutonium, das in der französischen WAA La Hague wiederaufbereitet und anschließend im belgischen Dessel zu Mox-Brennstäben verarbeitet wurde, soll auf die „Pacific Teal“ geladen und einmal um die halbe Weltkugel geschifft werden. In Japan sollen die AKWs von Fukushima Daiichi und Takahama noch in diesem Jahr mit dem Brennmaterial beladen werden.
Langfristig plant Japan, 16 bis 18 Reaktoren mit Mox-Brennstäben zu betreiben, die in Europa hergestellt werden. Der europäischen Atomindustrie, genauer: der französischen Cogéma und der britischen BNFL, winkt damit ein Jahrtausendgeschäft. Vorausgesetzt, die Generalprobe dieses ersten Transports klappt, dem in den kommenden zehn Jahren mindestens 80 weitere folgen sollen.
Die BritInnen haben ihren in Sellafield hergestellten Teil der ersten Mox-Lieferung nach Japan bereits am Montag auf ein Schiff – die „Pacific Pintail“ – geladen. Während dessen schleppten ein paar Greenpeace-AktivistInnen einen gigantischen aufblasbaren Elefanten an die Einfahrt zu dem britischen Hafen Burrow, um den Atomtransport zu verzögern, was ihnen kurzfristig auch gelang. Sieben GreenpeacelerInnen wurden verhaftet. Jetzt droht ihnen eine Klage der BFNL.
Nächste Station des Experiments ist Frankreich, Cherbourg, wo der Atomtransporter in der Nacht zu heute erwartet wurde. Die Cogéma hat ein Pressezentrum in einem Luxushotel eingerichtet und Busse organisiert, um die JournalistInnen aus aller Welt ans Hafenbecken zu karren, wo sie heute morgen dem Beladen zuschauen sollen. Greenpeace hatte schon vor einer Woche Hafenkräne in Cherbourg besetzt und damit die französische Öffentlichkeit informiert. Zwei ihrer Schiffe näherten sich gestern bei Redaktionsschluß der Hafenstadt. Allerdings hat ein Cherbourger Gericht vergangene Woche Demonstrationen, die die Schiffsbeladung behindern, unter Androhung einer hohen Geldstrafe verboten.
Der „Sicherheit“ des Mox-Transportes nach Japan sollen auch mehrere kleinkalibrige Kanonen (30 Millimeter) dienen, die auf der „Pacific Teal“ und der „Pacific Pintail“ installiert wurden. Bedient werden die Kanonen von der britischen Atompolizei, UKAEAC, die ebenfalls mitfährt. Sämtliche internationalen Sicherheitsbestimmungen seien eingehalten, beteuern die beiden Atomgesellschaften.
„Sicherheitshalber“ haben BNFL und Cogéma den Transnporttermin erst am Montag bekanntgegeben. Und „sicherheitshalber“ wollen sie die gemeinsame Reiseroute der beiden Schiffe nach Japan erst bekanntgeben, nachdem sie in See gestochen sind. Als Alternativen sind der Weg durch den Panamakanal, um das Kap Horn oder um das Kap der Guten Hoffnung anvisiert.
Die französischen Grünen befürchten, daß bei Gelingen dieser Generalprobe der internationale Mox-Handel erst so richtig in Gang kommen wird: Sollte der Beweis der Machbarkeit der Transporte gelingen, so Denis Baupin von den „Verts“, wird Frankreich seine gegenwärtig auf den nationalen Markt ausgerichtete Mox-Produktion in Marcoule im Rhônedelta für den internationalen Mox-Markt ausbauen. Großbritannien plant in Sellafield ebenfalls eine Expansion.
„Greenpeace“-Sprecher Veith Bürger nennt ein zusätzliches Argument: „Aus diesem Mox könnte man 60 Atombomben bauen, und auf hoher See könnte da jede Terrorgruppe leicht rankommen.“
Dorothea Hahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen