: Plattenbauten der Imagination
Unter dem Titel „Invicta Vac“ stellt Achim Riechers seine überklebten Fotoinstallation mit Blick für Konfrontation aus ■ Vom Hajo Schiff
Überzeugt, Bilder auch ohne Kommentar zum Sprechen zu bringen, zwingt Achim Riechers zur körperlichen Wahrnehmung der Fotografie und baut aus Großfotos Hütten, Gänge und Verstecke. Für sein Bildmaterial verwendet der Kölner Künstler farbig eingetönte Schwarz-Weiß-Fotos von der Rolle, 110 mal 160 Zentimeter groß, und faßt sie unter Plastikfolie auf Holzplatten. Diese Tafeln fügt er zu Plattenbauten der Imagination: Konstruktionen, die auf eine seltsam profane Art fernen ästhetischen Kriterien folgen.
Viele der ab Freitag im Künstlerhaus Weidenallee ausgestellten Bilder sind auf Reisen entstanden, besonders bei Fahrten in die ehemalige UdSSR. Doch der Impuls, ein Foto für den Kunstkontext auszusuchen, hat mit der Reise nichts mehr zu tun: „Ich bin dann ja wieder hier – und nicht jedes Bild funktioniert“, setzt der Künstler den trockenen Pragmatismus in sein Recht, daß Erinnerung und Bedeutung zweierlei sind.
Junggesellenküchen und verlassene Marktstände, Autos senkrecht hinter einer Tür oder achtlos abgestellte Werbetafeln in neuen Zusammenhängen – Achim Riechers hat einen Blick für Konfrontationen von großen Vorbildern und schäbigen Nachbildern, für ungelenke Gestaltungsversuche und Improvisationen. Wie ein Squatter konstruiert er seine Bildfavelas, richtet auch sich ein mit den Bruchstücken weltweiter Bildzitate. Er baut eine Wahrnehmungs- und Raumkonstruktion, die durch die Bildtafeln virtuell und real fragt, wie sich der Mensch in seiner kleinen Alltagswelt organisiert.
Aus vielen Bildern kann ein neues Arrangement gebaut werden, aber ebenso hätte jedes Einzelbild seine eigenen Kreise. Dies wird exemplarisch am Fahrrad des Recyclers gezeigt. Hier wird das Foto ergänzt mit der realen Ansammlung der Plastiktüten voller kommentierter Zeitungen und Bücher, die der alte, manische Sammler aus der Kölner Nachbarschaft regelmäßig dem Künstler anschleppt.
Außerhalb des Galerieraums hat der von Achim Riechers aufgebaute Spielplatz der Bedeutungen eine weitere reale Entsprechung: Seine Mitarbeit am Kölner Spielplatz- Projekt „Comtainment“. Dieses gesellschaftliche Kunstwerk bewährt sich seit Jahren im Alltag zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen Künstlern und Migranten. In einer Wortverschweißung zwischen Container und Kommunikation, zwischen Entertainment und Mentality wird ein städtischer Freiraum nicht nur für Kinderspiele und Nachbarschaftstreffen genutzt, sondern auch als Garten und Kunstort.
Eröffnung: Fr, 20 Uhr, Künstlerhaus Hamburg, Weidenallee 10 b, bis 8. August
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