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Rückenwind fürs Hollerland

■ Geheimes Gutachten: Naturschutzgebiet Hollerland kann nicht bebaut werden, ohne Streß mit der EU zu riskieren / CDU-Senator Bernt Schulte hielt das unbequeme Gutachten unter Verschluß

Zwei bisher geheimgehaltene Gutachten, die der taz vorliegen, machen deutlich: Der Bau einer Straße durch das Naturschutzgebiet Hollerland sowie die Erweiterung des Technologieparks in dieses Gebiet sind rechtlich kaum durchzuführen und würden die Behörden in einen harten Konflikt mit der Europäischen Union treiben. Fertiggestellt wurden die Gutachten im Auftrag des ehemaligen Bausenators Bernt Schulte (CDU) bereits im Juli und September letzten Jahres. Die Schlüsse, die daraus gezogen werden müssen, waren den Naturschutz-Gegnern offenbar so unangenehm, daß die „Bewertung“ durch die Fachverwaltungen verzögert wurden.

Geprüft wurde, ob Gesetze der Europäischen Union gegen die Bebauung des Naturschutzgebietes mit einer Straße oder einem Technologiepark sprechen. In beiden Fällen kommen die Berliner Gutachter zu dem Schluß, daß nur dann gebaut werden darf, wenn es keine Alternativen zu den Projekten gibt – was eindeutig nicht der Fall ist. Weitere Voraussetzungen: Die Straße dürfe nur gebaut werden, wenn sie „aus Gründen des Schutzes von Leib und Leben sowie der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist“. Für den Technologiepark gilt, daß „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher wirtschaftlicher Art“ vorliegen müssen. „Das Gutachten bestätigt diejenigen, die gesagt haben, daß es bei einer Bebauung ein kaum zu bewältigendes Problem mit EU-Recht geben wird“, sagt der Sprecher der neuen SPD-Bausenatorin Tine Wischer, Holger Bruns. Die vom CDU-Vorgänger im Giftschrank hinterlassenen Gutachten seien „ein wertvoller Baustein für die weitere Diskussion um das Hollerland“.

Grundlage für die Bewertung der Gutachter ist die Vogelschutz-Richtlinie der Europäischen Union. Als unter der Ampel-Koalition der grüne Umweltsenator Ralf Fücks 1995 mehrere Vogelschutz-Gebiete bei der EU anmeldete, platzte darüber die Regierungszusammenarbeit von Grünen, SPD und F.D.P. Bereits in den ersten Senatssitzungen der großen Koalition 1995 versuchten die Regierenden, die Vogelschutzgebiete durch die EU wieder aufheben zu lassen – bis heute ohne Erfolg.

Die Gutachter bemängeln außerdem indirekt, daß die Landesregierung das Hollerland bis heute nicht als „Europa-Naturschutzgebiet“ (Fachjargon: „FFH-Gebiet“) an die EU gemeldet hat. FFH-Gebiete sind ungefähr so gut vor Bebauung geschützt wie Vogelschutzgebiete. Eigentlich lief der Termin für die Anmeldung bereits im Juni 1998 aus. Bremen und viele andere Bundesländer ließen die Frist verstreichen. Die Länder haben kaum Möglichkeiten, ein potentielles FFH-Gebiet nicht anzumelden: Strenge Richtlinien sorgen dafür, daß europaweit die gleichen Kriterien angelegt werden.

Ende Juni 1999 machte die Europäische Kommission zudem Druck: Wenn nicht „umgehend“ die FFH-Gebiete bei der EU gemeldet würden, so drohten die Kommissare Wulf-Mathies und Bjerregaard in einem Brief an die deutsche Vertretung, könnten die EU-Gelder aus den Strukturfondsprogrammen eingefroren werden. Auch Bremen bezieht diese Hilfe. Konsequenterweise fordert die umweltpolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft, Karin Mathes, daß Bremen möglichst schnell ihre FFH-Gebiete anmelden soll.

Eine Möglichkeit, wie eine Hollerland-Bebauung doch noch begründet werden könnte, räumen die Gutachter allerdings ein: Wenn das geplante Projekt ein bundes- oder europaweites Modellprojekt wäre, wäre das eine neue Situation. Damit wird auch klar, warum der Senat seit den Koalitionsverhandlungen nicht mehr einfach von einer Technologiepark-Erweiterung redet, sondern von einem neuen „Technologiestadtteil“: Eine solche Planung könnte man mit viel gutem Willen als einzigartiges Vorhaben in der EU darstellen.

Christoph Dowe

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