: Angola in Gedanken
■ Raus auf die Insel: Reinickendorf lockt mit Samba-Groove und Ska-Jazz
Sommer in der Stadt. Während andere in Urlaub fahren, bleibt den Dagebliebenen nunmehr die Wahl zwischen Freiluftkinos und Open-air-Konzerten. Gut, daß wenigstens manch kulturell engagiertes Bezirksamt in die Bresche springt und für Ausgleich sorgt.
Das Bezirksamt Reinickendorf etwa zeichnet verantwortlich für den „Reinickendorfer Sommer“, der an diesem Wochenende raus auf die Insel im Tegeler Hafen lokken soll. „Jazz auf der Insel“, das klingt zwar nach sozialdemokratischem Dixieland-Swing und Bratwurstdröhnung, aber das Vorurteil führt in die Irre, denn Jazz meint in diesem Fall ein Spektrum von Samba bis Ska.
Auch Samba allerdings ist ein weites Feld, und Waldemar Bastos ist dort allenfalls am Rand anzusiedeln. Der Angolaner, der vor Bürgerkrieg und Diktatur in seiner Heimat ins Exil floh, lebt seit Anfang der achtziger Jahre in Lissabon, seine Platten aber nahm er in Brasilien und zuletzt, mit Arto Lindsay als Produzenten, in New York auf. Der Pendler zwischen den Kontinenten singt akustische Klagelieder, deren Melancholie von einem dennoch hoffnungsvollen Groove getragen wird. Angola in Gedanken, knüpft Waldemar Bastos an den musikalischen Mäanderstrom an, der die lusophone Welt historisch verbindet: Samba und der angolanische Tanz Semba etwa, den die als Arbeitssklaven verschleppten Afrikaner einst in die Neue Welt brachten, wo er sich in den Nationalrhythmus verwandelte, dazu kongolesische Soukous-Gitarren und portugiesische Fado-Melancholie. In Angola, wohin er nicht reisen kann, mag er noch immer vom Nimbus einer moralischen Instanz zehren, international gehört Waldemar Bastos in eine Liga mit seiner kapverdischen Kollegin Cesaria Evora, deren kreolische Melange weltweit so populär ist, oder dem kühlen Samba-Swing des Tropicalia-Königs Caetano Veloso. Vier Jahre ist es her, da gastierte Waldemar Bastos zuletzt in Berlin bei den „Heimatklängen“, in Tegel wird vor ihm das Bocato Quintet aus São Paulo auftreten.
Am Samstag ist Ska angesagt: das New York Ska-Jazz Ensemble holt aus dem Offbeat-Style heraus, was an anspruchsvollem Crossover herauszuholen ist, eröffnet wird der Abend von den Butlers, bewährten Berliner Ska-Veteranen. Daniel Bax ‚/B‘Insel im Tegeler Hafen, Karolinenstraße 19, Reinickendorf. Freitag, 19 Uhr: Waldemar Bastos und Bocato Quintet, Samstag, 19 Uhr: New York Ska-Jazz Ensemble und The Butlers
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