: Nackte Brüste verwirren Polizeigewerkschaft
■ Deren Forderung nach einer Bannmeile stößt in Berlin auf Unverständnis und Gelächter
Die nackten Brüste beim Bundeswehrgelöbnis zeigen ungeahnte Folgen: Gestern forderte die Deutsche Polizeigewerkschaft im Beamtenbund die Einführung einer Bannmeile. Es sei unveständlich, daß auf diesen Schutzbereich um das Regierungsviertel verzichtet wurde, sagte Gewerkschafts-Chef Rolf Taßler. Nach einem Bundestagsbeschluß wird es statt der bisherigen Bannmeile einen „befriedeten Bezirk“ geben, der das Reichstagsgebäude, die Parlamentsneubauten und die künftige französische Botschaft umfaßt. Dort sind bis auf Widerruf Demonstrationen zugelassen.
Die Forderung stieß in Berlin größtenteils auf Unverständnis und wurde sogar belächelt. So führt der Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei, Klaus Eisenreich, die Äußerung auf „die Hektik des Sommerlochs“ zurück. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, stellt er klar. Der grüne Abgeordnete Wolfgang Wieland sprach von „völligem Blödsinn“. Zudem hätte auch eine Bannmeile die Störungen nicht verhindert. „Es sei denn, sie würde ins Unermeßliche ausgedehnt.“ Auch die SPD wies die Forderung entschieden zurück. „Die Bannmeile ist kein mystisches Mittel zum Bann“, sagte deren innenpolitischer Sprecher, Hans-Georg Lorenz, unter Gelächter. Die Berliner PDS-Chefin Petra Pau bezeichnete die Debatte „an den Haaren herbeigezogen“. Weil der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) bereits vor einigen Tagen über den bannlosen Zustand um den Reichstag klagte, dränge sich vielmehr der Eindruck auf, daß nur nach einem Anlaß gesucht werde, die Debatte wiederzubeleben. CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky forderte gestern, daß statt der Bundeswehr, die den „Berliner Chaoten“ nicht gewachsen sei, wieder die Berliner Polizei eingesetzt werde. „Dann wäre das nicht passiert.“ Der CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach begegnete dem Vorwurf, daß die Gelöbnisstörung nichts mit der Bannmeile zu tun habe, mit einem Gegenvorwurf: „Das ist die gleiche Argumentation, als wenn ich sagen würde, ich brauche keine Gesetze, weil sich einzelne doch nicht dran halten.“ B. Bollwahn de Paez Casanova
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen