: Querspalte
■ Es lebe die Dekadenz!
Neulich las ich eine Kondomwerbung: „Der Schutz von heute für die Welt von morgen“. Ist da nicht ein Denkfehler enthalten? Wenn all der Glibber in die Tüte fließt, gibt es dann morgen überhaupt eine Welt? Welch ein Glück, daß manch öffentlicher Figur kein Verhütungsmittel über ihre Sprechwerkzeuge gezogen werden kann. Ab September wird Nadja abdel Farrag neue Moderatorin des RTL 2-Magazins „Peep!“, und prompt erklärt sie, aus der Sendung eine Art „Playboy zum Gucken“ machen zu wollen.
Jaaaa, endlich. Mit der Hör- und Braille-Ausgabe des Playboy konnte man nie ganz zufrieden sein: Oft wußte man nicht, ob Text oder Nippel ertastet wird. Die Riech-Ausgabe war auch nicht besonders geschmackvoll, apropos – die Schmeckversion noch weniger: Die ganze Zeitschrift durchlecken war etwas anstrengend für jemanden, der seine fünf Sinne beisammen hat.
Seine fünf Sinne leider nicht beisammen hat der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Schon lange beklagt sein Vorgänger Joachim C. Fest ganz offen, daß sein „Lebenswerk zerstört“ sei. Verantwortlich für das Feuilleton, hat Schirrmacher es konsequent abgewirtschaftet. Der formale Höhepunkt war am vergangenen Samstag zu besichtigen. Auf der ersten Feuilletonseite erschien der Aufmacher mit drei Orthographie-, zwei Interpunktions- und zwei schweren Syntaxfehlern sowie 28 Zwiebelfischen. Das gab es früher nicht.
Was haben eine Frau, die mit den Titten denkt, und ein Mann, der für den Niedergang des führenden deutschen Feuilletons verantwortlich ist, gemein? Unaufhaltsam geht das Abendland unter, und gleichzeitig ändert sich nichts in der Welt. Sie wird von Tussen und Lümmeln regiert, damit wir uns am Verfall erfreuen können. Es lebe die Dekadenz! Michael Ringel
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